"In einer Welt von universeller Täuschung ist das Aussprechen von Wahrheit ein revolutionärer Akt" - GOERGE ORWELL
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Text - Skandalprozess Trier: BEFANGENHEITS- und BEWEISANTRAG
BEFANGENHEITS- und BEWEISANTRAG zur II. Berufungsverhandlung in der 1. Revision vom 26.4.2005


1.
Namens und im Auftrag des Angeklagten Schmelzer lehne ich den Sachverständigen Urban ab wegen

Besorgnis der Befangenheit.


B e g r ü n d u n g:

Mit Beweisanordung vom 17.03.05 wurde der SV vom Gericht gebeten „ein schriftliches Gutachten zu der Frage, ob der Sonderband „Anlage zum Protokoll“ wissenschaftlich ernstzunehmende Darlegungen anerkannter Psychologen oder Sexualwissenschafter zu den schädlichen Folgen sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern und zu anderen Fragen enthält und wenn ja, welche, zu erstatten.“

Diese Beweisfrage – ob der PRD wissenschaftliche Texte enthält – beantwortet das Gutachten zunächst eindeutig positiv: So wird etwa auf Bl. 3/4 d. Gutachtens Wissenschaftlichkeit explizit zumindest den Abhandlungen von Albrecht, Amendt, Baurmann, Bernard, Lempp, Rasmussen, Rennert, Stockert, Wyss, Riße und Sick attestiert. (Weshalb der SV insofern die – am ausführlichsten wiedergegebene - Studie von Sandtfordt nicht erwähnt bleibt dessen Geheimnis, zeugt jedoch von zumindest oberflächlicher Arbeitsweise des Sachverständigen).

Jedoch belässt es der Sachverständige nicht bei der Beantwortung der Beweisfrage: Vielmehr überschreitet er eigenmächtig seinen Gutachtenauftrag und postuliert, daß – da die fraglichen Literaturstellen nur auszugsweise und nicht vollständig sowie im Sinne der Zielsetzung des PRD kommentiert seien – der „Inhalt der Internetseiten der Pedosexual Resources Directory“ wissenschaftlichen Ansprüchen insgesamt nicht“ genüge (Gutachten S.6).

Damit aber besteht aus Sicht eines verständigen besonnenen Angeklagten die Besorgnis, daß der Sachverständige diesem gegenüber keine neutrale Position einnimmt, sondern offensichtlich geneigt ist, dem Gericht eine dem Angeklagten nachteilige Sichtweise nahezubringen, nach der das Gericht zum einen gar nicht gefragt hat und auf die es rechtlich für das vorliegende Verfahren auch gar nicht ankommt:

Denn für die Frage, ob der verfahrensgegenständliche Text aufgrund seines Kontextes als pornographisch angesehen werden kann oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob der Gesamt-PRD als seriöse, streng wissenschaftliche Abhandlung (ähnlich einer Dissertation o.ä.) anzusehen ist sondern allein darauf, ob in selbigem überhaupt wissenschaftlich (oder ggf pseudowissenschaftliche) Texte enthalten sind. Denn selbstverständlich ist und bleibt auch eine – möglicherweise – wissenschaftlich unbrauchbare oder inhaltlich fehlerhafte (weil ggf lückenhafte oder einseitige oder nicht hinreichend vertiefende) Abhandlung eine Abhandlung und wird dadurch nicht zu einer Staffage für pornographische Inhalte.

Auch ein bloß journalistischen Ansprüchen genügender Kontext (vgl. Gutachten S.5) oder gar ein politisches Pamphlet wäre – in gleichem Masse wie eine insg. „seriöse“ wissenschaftliche Abhandlung – nicht geeignet, den verfahrensgegenständlichen Text zu inkriminieren. Schliesslich existieren gleichermassen ähnliche Erfahrungsberichte in Büchern oder journalistischen Berichten von Opfern von Sexualverbrechen. Auch deren Darstellungen sind naturgemäss einseitig und genügen wissenschaftlichen Grundsätzen insgesamt nicht. Dennoch werden auch diese Darstellungen dadurch nicht pornographisch.

Da es somit auf den Gesamtcharakter des PRD als wissenschaftlich seriöser Abhandlung nicht ankommt, hat des Gericht diese Frage folglich in seiner Beweisanordnung auch nicht aufgeworfen sondern lediglich gefragt, ob und ggf welche wissenschaftlich ernstzunehmenden Darlegungen der PRD überhaupt enthält.

Wenn ein Sachverständiger jedoch über die Beantwortung dieser Beweisfrage hinaus – ungefragt – Ausführungen macht, mit denen er zu Lasten des Angeklagten seine diesem grundsätzlich zunächst einmal günstigen Ausführungen wieder zu relativieren versucht, so ist dies geeignet, bei objektiver Betrachtungsweise beim Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken.

Dieses wird zudem dadurch verstärkt, daß der Sachverständige ganz offensichtlich auch die erklärten Ziele des PRD von vornherein misbilligt und als nicht anerkennenswert abkanzelt. Diese Einstellung tritt bereits in der Wortwahl des Sachverständigen zutage (vgl. S.3: „so genannten Zielen der PRD“, S.5: „die allenfalls journalistischen Ansprüchen“) offenbart sich aber spätestens an der vom SV gezogenen Conclusio, der gerade aufgrund des Umstandes, daß der PRD die wissenschaftlichen Quellen nur einseitig und im Sinne seiner Ziele zitiert, diesem die Wissenschaftlichkeit abspricht. Indes ist die heute h.M., daß Sexualkontakte zwischen Erwachsenen und Kindern per se schädlich seien, keineswegs eine Selbstverständlichkeit: So wurde noch im Gesetzgebungsverfahren der Strafrechtsreform Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre diese Frage unter Anhörung zahlreicher Experten höchst kontrovers diskutiert.

Des weiteren ist aber auch die Aussage des Sachverständigen, im PRD seien sämtliche wissenschaftliche Texte nur unvollständig wiedergegeben augenscheinlich falsch:
So dürfte jedenfalls etwa der Aufsatz von Rutschky (ca im letzten Drittel des PRD) durchaus ungekürzt sein. (Daß der SV Rutschky nicht explizit als wissenschaftlich anerkannt auflistet, lässt wiederrum Zweifel an der Kompetenz des Sachverständigen auf dem hier zu beurteilenden Gebiet aufkommen).

Im übrigen muss bemängelt werden, daß der SV seinerseits gegen das Transparenzgebot verstösst, indem er lapidar ausführt „Berücksichtigt man die Kommentierung einzelner Literaturzitate, so ist festzustellen, dass der Inhalt der Internetseiten der Pedosexual Resources Directory wissenschaftlichen Ansprüchen insgesamt nicht genügt“ ohne seinerseits diese These an Hand der konkreten Kommentierungen zu belegen.

Des weiteren erstellte der SV sein Gutachten aber auch auf unvollständiger Tatsachengrundlage:
Wie sich aus dem PRD selbst ergibt, besteht dieser aus einem deutschen (dem als Ausdruck vorliegenden) und einem – offenbar noch umfangreicheren – englischsprachigem Teil, der – ausweislich der Ausführungen des Autors im PRD selbst – mit dem Deutschen Teil keineswegs identisch ist.
Der Sachverständige hätte somit – bevor er seine Schlussfolgerung zieht – das Gericht hierauf hinweisen und zumindest versuchen müssen, auch diesen englischen Teil zu erlangen oder aber im Gutachten seine Schlussfolgerung ausdrücklich unter den Vorbehalt der Begutachtung auch dieses englischsprachigen Teils zu stellen.

Zur Glaubhaftmachung versichere ich die vorstehenden Tatsachen anwaltlich sowie beziehe mich auf das schriftliche Gutachten und den PRD sowie eine etwaige Stellungnahme des abgelehnten Sachverständigen, die vor einer Entscheidung über diesen Antrag mir zur Stellungnahme zuzuleiten ich beantrage.


2.

Es wird

b e a n t r a g t

zum Beweis dafür, daß die im PRD zitierten wissenschaftlichen Quellen - auch wenn man sie vollständig liest – keinen anderen als die im PRD jeweils dargestellten Aussagegehalt haben (mithin nicht entstellend zitiert sind), die jeweiligen Abhandlungen in ihrer Gesamtheit beizuziehen und in Augenschein zu nehmen sowie deren Autoren (insb. Baurmann und Sandfort) als Zeugen zu hören.

Weiter wird

b e a n t r a g t

insofern ein Sachverständigengutachten einzuholen. Als Sachverständigen schlagen wir insofern vor: Prof. Dr. Rüdiger Lautmann. Lautmann hat jahrelang speziell auf dem Gebiet der Sexualdelikte geforscht und ist durch mehrere Veröffentlichungen zum Thema als Experte ausgewiesen (z.B. Buch: „Die Lust am Kind“ oder sein Aufsatz in ZRP 1980: „Sexualdelikte – Strafdaten ohne Opfer?“).


3.
Zum Beweis dafür, daß der englischsprachige Teil des PRD weitere wissenschaftliche Studien enthält und unter Berücksichtigung dieses Teils sich eine andere Bewertung des PRD als wissenschaftliche Abhandlung ergibt, wird

b e a n t r a g t

den englischen Teil in Augenschein zu nehmen und einer Begutachtung zuzuführen.

Der englische Teil befindet sich gespeichert bei den asservierten PC, die insofern auszuwerten sind.

Unter Aufklärungsgesichtspunkten ist zudem zu prüfen, ob die dort gespeicherte Version derjenigen entspricht, die zur Tatzeit im Netz war.


Pinkerneil
Rechtsanwalt
geschrieben am 28.04.2005
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Autor K13online - Ra Pinkerneil
Seiten: 1
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