Interview mit Buchautor Max Meier-Jobst (Die Sache mit Peter)

Interview mit dem Autor Max Meier-Jobst aus Anlass der Neuerscheinung seines Buches "Die Sache mit Peter"

K13online: Es ist im heutigen Anti-Pädophilen-Zeitgeist sehr selten, dass sich ein heutiger Erwachsener zu sexuellen Erlebnissen in seiner Kindheit im überwiegend positiven Sinne öffentlich äußert. Welche Motivation & Zielsetzungen hatten Sie, dies in Ihrem Buch trotzdem zu tun?

Max Meier-Jobst: Es war gar nicht meine Absicht, mich positiv (oder negativ) über meine sexuellen Erlebnisse in der Kindheit zu äußern. Ich wollte einfach die Geschichte meines frühen Erwachsenwerdens erzählen, wie man so schön sagt: es mir von der Seele schreiben. Das habe ich mir schon seit vielen Jahren vorgenommen, aber erst jetzt mit über 30 Jahren die Kraft dazu gefunden. In erster Linie habe ich das Buch also für mich selbst geschrieben. Aber natürlich freut es mich sehr, dass es mittlerweile auch andere interessiert und sogar berührt, was mir widerfahren ist.

Genauso wichtig wie die Schilderung meiner Erfahrungen war sicherlich die Charakterisierung von Peter. Leser, die nicht pädophil sind, lernen mit ihm vielleicht zum ersten Mal einen Vertreter dieser Neigung näher kennen und verstehen, dass sich dahinter kein Widerling oder Psychopath verbergen muss, selbst dann nicht, wenn dieser Mann seine Sexualität auslebt. Pädophile sind Menschen wie du und ich, die wie wir alle lieben und geliebt werden wollen und dabei natürlich auch Fehler machen.

Pädophilen hingegen führt Peters Liaison vor Augen, dass es selbst in einer solch vermeintlich perfekten Konstellation – ein zwar nicht besonders reifes, aber schon etwas älteres Kind, dessen sexuelles Interesse bereits erwacht ist – alles andere als unproblematisch ist, wenn man sich seinen Bedürfnissen hingibt. Denn aufgrund des altersbedingten Erfahrungsvorsprungs ist die Beziehung zwangsweise asymmetrisch, es besteht ein großes seelisches Verletzungsrisiko für beide Seiten. Das gilt unabhängig von der noch hinzukommenden Gefahr, entdeckt und von Gesellschaft und Justiz verurteilt zu werden. Und ebenfalls unabhängig von dem Schmerz, den die Gewissheit auslöst, dass nach wenigen Jahren, manchmal sogar nur Monaten alles wieder vorbei sein wird, weil das ohnehin schon große Kind dann keines mehr ist.

K13online: Schon seit vielen Jahren existiert der Begriff des „einvernehmlichen sexuellen Kindesmissbrauchs“. Auch Sie sprechen an einigen Stellen in Ihrer Buchvorstellung auf Ihrem Weblog von Missbrauch. In welchem Zusammenhang würden Sie den obigen Begriff verwenden?

Max Meier-Jobst: Ich muss zugeben, dass ich diese Wendung nicht kannte und auch nicht verwenden würde. Selbst das Wort Missbrauch mag ich nicht besonders. Aber ich weiß kein besseres, also benutze ich es, vor allem in der notwendigerweise etwas verkürzten Außendarstellung meines Buches im Klappentext oder auf der Webseite, in der es ja zugespitzt auf die auch von mir bis heute nicht eindeutig zu beantwortende Frage hinausläuft, was denn diese Beziehung zwischen dem kleinen Jungen und dem großen Peter eigentlich war: Missbrauch? Oder doch Liebe?

Vermutlich wohl beides auf einmal. Denn wer mein Buch gelesen hat, weiß, dass es wenige, aber sehr entscheidende Momente gab, in denen ich die sexuellen Handlungen meines erwachsenen Freundes zwar wehrlos über mich ergehen ließ, aber dies überhaupt nicht einvernehmlich, sondern höchst einseitig geschah. Es gab auch Momente, in denen ich die Initiative ergriff, man also durchaus von Einvernehmlichkeit sprechen kann. Doch am Anfang unserer sexuellen Kontakte stand ganz klar die Verführung, das Ausloten und ja, auch das Überschreiten von Grenzen durch den Erwachsenen. Kurz gesagt: Ich habe Peter nicht darum gebeten, mich zu berühren und zu befriedigen. Ich habe ihn aber auch nicht daran gehindert.

K13online: Sie hatten bei der Suche nach einem Verlag nur Absagen erhalten. Ein Lektor verlangte erhebliche Änderungen & Entschärfungen Ihres vorgelegten Manuskriptes. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Gründe, warum Verlage ein solches Buch wie Ihres nicht veröffentlichen wollen?

Max Meier-Jobst: Pädophilie ist nun mal ein schwieriges Thema, eine Nische, vielleicht auch ein bisschen eine Schmuddelecke. Das verkauft sich höchstens dann eingermaßen gut, wenn es einem bestimmten Muster folgt, dem ich nicht entsprechen wollte und konnte. Ja, Peter hat Grenzen überschritten, nicht nur Gesetze, sondern auch mich verletzt, vielleicht sogar missbraucht. Aber er ist kein Monster. Und ich sehe mich auch nicht als sein Opfer. Höchstens als das einer komplizierten, vielleicht sogar unmöglichen Liebe.

Außerdem ist mein Buch sehr direkt. Menschen, die das Thema betrifft, wissen das zu schätzen. Aber jene, die sich vielleicht nur am Rande dafür interessieren, verstören diese offenen Schilderungen von Homo- und sogar Pädosexualität eher. Mein Buch ist weder hohe Literatur, in der man sich solchen abseitigen Themen ja durchaus mal mit schönen Metaphern nähern kann, noch ist es der übliche, talkshowkompatible Schicksalsroman. Da darf man sich eigentlich nicht beklagen, wenn sich an so etwas keiner der großen Verlage herantraut. Die kleineren habe ich dann, um ehrlich zu sein, gar nicht mehr angeschrieben, da ich neugierig darauf war, es mal mit Selfpublishing auszuprobieren, wo ich mir sicher sein konnte, immer Herr über meine Geschichte zu bleiben und alles selbst in der Hand zu haben.

K13online: Sie sind freiberuflich als Journalist für verschiedene Medien tätig. Wir bezeichnen diese Medien als sogenannte Mainstream-Medien, die fast immer einseitig und negativ über den Themenkomplex der Pädophilie berichten. Halten Sie es für möglich, dass es diesbezüglich in naher Zukunft einen Paradigmenwechsel geben könnte?

Max Meier-Jobst: An dieser Stelle muss ich jetzt mal eine Lanze für meine Kollegen brechen. Man sollte nicht alle über einen Kamm scheren, auch wenn Medienschelte in diesen Tagen sehr populär ist. Mein Eindruck ist, dass in den letzten Jahren durchaus bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Zumindest in den liberalen Qualitätspublikationen mehren sich Darstellungen, in denen zwar pädosexuelle Handlungen, nicht aber Pädophilie als Neigung verurteilt wird. Eine solche Differenzierung halte ich für sehr wichtig und richtig. Leider ist diese Erkenntnis aber noch lange nicht bis in die Boulevardmedien und damit an die Stammtische vorgedrungen.

K13online: Ihr Autorenname „Max Meier-Jobst“ ist ein Pseudonym. Sie verwenden ein Pseudonym zum Schutz Ihrer echten Identität. Halten Sie es irgendwann für möglich, dass Sie das Geheimnis um Ihre Identität offenbaren und damit zum Beispiel ein Outing bei Buchlesungen vornehmen könnten?

Max Meier-Jobst: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Und zwar gar nicht mal bloß, weil ich meine eigene Identität schützen möchte. Es geht mir auch um die Personen, die außer mir noch in meinem Buch vorkommen und die ein Recht auf ihre Privatsphäre haben. Aus diesem Grund habe ich auch keine Autobiografie geschrieben, sondern einen autobiografischen Roman, in dem es einen wahren Kern gibt, aber das Drumherum, die Kulissen stark verfremdet und verändert sind. Nichts stünde mir ferner, als meine Eltern, meine (damaligen) Freude und nicht zuletzt auch den Menschen, der hinter Peter steckt, in die Verlegenheit zu bringen, sich nach all den Jahren öffentlich oder auch nur im privaten Umfeld für irgendetwas erklären zu müssen.

K13online: In Ihrem Buch beschreiben Sie auch Ihr ziemlich früheres, schwules Coming-In. Auch im heutigen Zeitgeist werden schwule Jungs in den Schulklassen und in der Freizeit oft gemobbt und ausgegrenzt. Welche politischen Position(Stichwort: Frühsexualisierung) vertreten Sie zu den neuen Bildungsplänen(z. B. Baden-Württemberg), worin es keine Diskriminierung von homosexuellen Kindern mehr geben soll?

Max Meier-Jobst: Hier gebe ich Ihnen recht, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist, gerade unter jungen Menschen, noch immer an der Tagesordnung. Da bin ich, wie meine Leser wissen, leider auch nicht frei von Schuld, habe ich mich doch in der Schule selbst am Mobbing eines anderen, offensichtlich ebenfalls homosexuellen Mitschülers beteiligt, um von meiner eigenen Andersartigkeit abzulenken. Ich kenne also beide Seiten, die Täter- und die Opferperspektive.

Progressive, aufklärerische Initiativen wie die von Ihnen angesprochenen Bildungspläne halte ich daher für begrüßenswert. Das hat für mich aber nichts mit dem schrecklichen Begriff „Frühsexualisierung“ zu tun. Im Gegenteil: Wer schon im jungen Alter mehr über die Vielfalt menschlicher Sexualität lernt, ist auch besser gegen Missbrauch und Übergriffe geschützt, lernt sich und seine Bedürfnisse sowie die der anderen zu akzeptieren, aber auch, Nein zu sagen.

K13online: Das Sexualstrafrecht stellt ALLE sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen & Kindern in dem § 176 ff StGB unter Strafandrohung und differenziert nicht zwischen sexueller Gewalt und sexueller Einvernehmlichkeit. Welche politischen Positionen vertreten Sie zu diesem § bzw. bei welchem Alter sehen Sie die Einwilligungsgrenze(Schutzalter)?

Max Meier-Jobst: Ich will versuchen, diese Gretchenfrage anhand eines Beispiels aus meinem Buch zu beantworten. Der Tag, an dem Peter sich mir erstmals sexuell näherte, war der vor meinem 14. Geburtstag. Egal ob einvernehmlich oder nicht – hier hat er sich also in jedem Fall strafbar gemacht. Wenige Tage danach hatten wir wieder sexuelle Kontakte, die aufgrund des überschrittenen Schutzalters und meiner permissiven Passivität durchaus als einvernehmlich und legal gewertet werden könnten.

Was hat sich dadurch für mich geändert? Nichts. Ich war noch immer genauso unreif, hatte noch immer das Gefühl, überfordert damit zu sein. Es kam, nicht nur im Nachhinein betrachtet, zu früh. Obwohl es mich erregte, verwirrte es mich und ich litt darunter. Ich konnte es nicht einordnen. Mein ohnehin in diesem Alter riesiges Gefühlschaos hat Peter damit zweifelsohne verschlimmert.

Bin ich deshalb der Meinung, dass Peter bestraft und verurteilt gehört? Nein, das bin ich nicht. Schließlich mochte, liebte ich ihn vielleicht sogar und konnte ihm verzeihen. Kann man daraus schließen, dass Kontakte dieser Art prinzipiell erlaubt und in jedem Fall straffrei sein sollten? Ebenfalls nicht. Freifahrtscheine darf es nicht geben. Kinder und auch Heranwachsende brauchen einen besonderen Schutz, auch vor dem Gesetz. Den kann man aber schwer an einer bestimmten Altersgrenze festmachen. Idealerweise müsste also immer der Einzelfall betrachtet werden, auch wenn das in der Praxis sicherlich schwer umzusetzen ist.

K13online: Ihr Buch wird seit Februar 2017 im Eigenverlag(BoD), bei Amazon.de und über andere Projekte/Internet-Plattformen angeboten und ist deshalb relativ leicht zu kaufen. Sind Sie mit den bisherigen Verkaufszahlen zufrieden und gab es schon positives oder negatives Feedback von Personen/Stellen?

Max Meier-Jobst: Nachdem mir meine Kontakte in der Verlagswelt schnell klar gemacht hatten, dass dieses Buch in der vorliegenden Form auf dem Massenmarkt keine Chance hat, waren meine Erwartungen gering. Von daher werte ich es schon als Erfolg, dass ich bislang mehrere hundert elektronische und gedruckte Exemplare verkaufen konnte. Doch selbst wenn ich demnächst noch vierstellige Zahlen erreichen sollte, kann man in Anbetracht der vielen Stunden Schreibarbeit trotzdem noch lange nicht von einem profitablen Projekt sprechen. Aber das war ja auch gar nicht mein Ziel.

Vor allem freue ich mich über die bislang erstaunlicherweise ausschließlich positiven Rückmeldungen meiner Leser, die von meiner Geschichte zum Teil so berührt waren, dass sie mir sehr Persönliches anvertraut haben. Mit einigen hat sich ein reger Mailaustausch ergeben. Es erleichtert mich, zu erfahren, dass meine Erlebnisse doch nicht so einzigartig und unerklärlich waren, wie ich in all den Jahren dachte, sondern dass andere Menschen ganz ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Nicht zuletzt dieses Feedback hat mich dazu motiviert, weiterzumachen und an einem neuen Roman zu schreiben, in dem es ebenfalls wieder um das Thema Pädophilie gehen und der wohl noch in diesem Jahr erscheinen wird. Eines sei schon mal vorweggenommen, auch wenn einige Leser das vielleicht enttäuschen mag: Es wird keine Fortsetzung von der Sache mit Peter werden. Das offene Ende meiner Geschichte möchte ich so stehen lassen. Dieses Thema ist dermaßen komplex, dass ich bewusst keine abschließenden Antworten liefern kann, sondern jedem die Möglichkeit geben will, sich sein eigenes Urteil zu bilden.


 

Buchneuerscheinung zur Frankfurter Buchmesse 2018: Bonustrack - Mein Leben mit Peter und andere Geschichten - vom Autor Max Meier-Jobst 12.10.2018

Max Meier-Jobst: "Elf Geschichten über das Jungsein im Allgemeinen und über Jungen im Besonderen, sowie oftmals auch darüber, wie es ist, Jungs zu lieben"

http://krumme13.org/news.php?s=read&id=3738 

(Ersteinstellung am 15. Mai 2017- aktualisiert am 12. Oktober 2018)

geschrieben von K13online am 12.10.2018 - ID: 1288 - 3276 mal gelesen Drucken

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