Interview mit Dominik Riedo (Nur das Leben war dann anders)

Interview mit dem Buchautor Dominik Riedo zu seinem Buch "Nur das Leben war dann anders"

K13online: Auf meinen Webseiten K13online habe ich Ihr Buch in einem News stark kritisiert. Deshalb gebe ich Ihnen mit diesem Interview die Möglichkeit, diese Kritik zu erwidern oder Inhalte Ihres Buches ins richtige Licht zu rücken. Welche konkrete Kritik üben Sie zu meinen Aussagen im News?

Riedo: Ich übe keine Kritik an Ihren Aussagen. Es ist Ihr Recht, über mein Buch zu denken, was Sie wollen (solange es nicht persönlichkeitsverletzend ist und sie dies publik machen). Es liesse sich höchstens korrigierend einiges anfügen (zuerst als Zitat jeweils Ihre Aussage):

„In dem Buch "Nur das Leben war dann anders" erzählt der Autor Dominik Riedo, der Sohn des pädophilen Vaters Otto Riedo, über schriftliche Aufzeichnungen seines Vaters, die er ihm als Vermächtnis hinterlassen hat.“ – Das stimmt so nicht. Ich erzähle, ja, aber ich erzähle nicht die Aufzeichnungen meines Vaters, ich zitiere sie. Und erzähle sein/mein Leben.

„Aus dem Inhalt des Buches, welches uns hier bereits vor dem offiziellen Erscheinen im Herbst 2015 vorliegt, geht eindeutig hervor, dass sich sein pädophiler Vater zu Lebzeiten für einvernehmliche Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen eingesetzt hatte.“ – Das stimmt so nicht. Mein Vater hat sich nie dafür eingesetzt, obwohl er das gerade in der Schweiz und ihrer direkten Demokratie hätte machen können. Er hat sich nur zu gewissen Zeiten gewünscht, es wäre anders. Aber noch sehnlicher wünschte er sich eine normale Sexualität: Warum musste ich pädophil werden??? (Seite 134)

„Mit dieser Aussage instrumentalisiert der Autor Dominik Riedo seinen Vater und missbraucht sein Vertrauen. Das Vermächtnis des Vaters hätte nicht in die Hände seines Sohnes fallen dürfen.“ – Mein Vater wollte, dass ich seine Unterlagen finde (wir hatten bereits Jahre zuvor über ein Buch von mir über ihn gesprochen; er hat es mir nie verboten oder mich gebeten, es zu unterlassen; er hat mich sogar mit Informationen ausgerüstet). Es war ja extra ein Umschlag (darin ein intimer Lebensrückblick) im Nachlass mit dabei, der an mich adressiert war. Aus ihm geht einmal mehr hervor, dass mein Vater sich eine andere Sexualität gewünscht hätte und dass er es einsah, dass er gewissen Kinder geschadet hat.

Dazu würde „instrumentalisieren“ hier heissen, alles über eine Kante brechen zu wollen. Das tue ich nicht. Ich zeige gerade, wie schwierig das alles war und relativiere genug (etwa betreffend Klaus Kinski etc. Seite 122f.)

Betreffend IGP: Später wollte mein Vater davon nichts mehr wissen. (Seite 166)

„Vier der früheren Geliebten waren als heute Erwachsene bei der Grabrede des Vaters anwesend.„ – Ja, aber nur mit einem von ihnen hatte er sexuelle Kontakte. Das sagt auch etwas.

„In dem Buch geht es also nicht um sexuellen Missbrauch durch den Vater an den Jungen, schon gar nicht um sexuelle Gewalt“ – Um sexuelle Gewalt geht es wirklich nicht. Genau das wollte ich ja zeigen: Dass Pädophile nicht alles Kindlimörder und Vergewaltiger sind. Trotzdem kann man teilweise bei meinem Vater von Nötigung oder einem Ausnützen von Nichtwissen bzw. Unsicherheiten sprechen (Migranten; zerrüttetes Elternhaus). Mein Bruder wurde zum Beispiel von einem (von meinem Vater) missbrauchten Knaben später massiv bedroht und tätlich angegangen. Dieser Knabe hatte also sicher gelitten.

„Er stellt seinen Vater als Kindesmissbraucher dar.“ – Ich stelle ihn nicht einfach als Missbraucher dar, sondern als Opfer seiner Neigung, das weitere Opfer generierte.

„Der Autor als Sohn des Vaters hat sich wohlwissend der Unwahrheit realer Ereignisse dem heutigen Zeitgeist der Missbrauchshysterie angeschlossen. Er stellt seinen Vater als Kindesmissbraucher dar.“ – Was bitte soll eine „Unwahrheit realer Ereignisse“ sein? Dass reale Ereignisse unwahr seien? Ich verstehe diese Aussage nicht. Ich weiss ja, dass gewisse Kinder gelitten haben. Nicht zuletzt auch ich selbst …

Und wenn ich das Geld spende (eben: es ist keine Biographie; es ist auch meine Sicht, mein Empfinden), so ja nur an Menschen, die eine solche Hilfe WOLLEN. Niemand ist gezwungen, sie anzunehmen. Auch mein Vater hatte ja noch länger eine Therapie besucht, als er gerichtlich dazu verpflichtet gewesen war. Das geht also nicht gegen seinen Willen.

Lehrer geworden: Man darf als Lehrer auch keine 16-Jährigen (mit denen man sonst ja Kontakt haben darf) anbaggern. Das bringt der Job mit sich. Das hat nichts mit Pädophilie direkt zu tun, sondern mit Sexualität mit Schutzbefohlenen.

 

K13online: Ihr Buch trägt den Titel „Nur das Leben war dann anders“. Was genau hat sich nach dem Bekanntwerden der pädophilen Orientierung/Identität Ihres Vaters für Sie geändert?

Riedo: Mir wurde die Kindheit plötzlich dunkler. Und ich merkte, dass ich mir gewisse Dinge nicht nur eingebildet hatte: Etwa warum ich oft gehänselt wurde mit Sprüchen zum Schoggistech etc. Dazu kommt, dass es nicht toll ist, wenn ein Vater straffällig wird. Auch meine Kameraden wollten plötzlich nicht mehr mit zu ihm kommen. Und dann war er plötzlich weg und in Thailand. Woher ich von Sorgen erfuhr und Klagen hörte. Gerne hätte ich da öfter auch mal über meine Probleme gesprochen. Aber da war er zu sehr mit sich beschäftigt. Dazu sah ich ihn ein Jahr lang nicht.

 

K13online: Sie schreiben im Buch auf Seite 120: „Der Explorand erwähnt nachdrücklich, dass er vor dem Ausziehen der Slips die Knaben gefragt hätte, ob sie wirklich aufs Ganze gehen wollen. Beide hätten bejaht“. Ich kann bei einem solchen Ereignis keine sexuellen Übergriffe gegen die sexuelle Selbstbestimmung erkennen. Warum findet man trotzdem in Ihrem Buch durchgehend den Begriff Kindesmissbrauch oder schwere Nötigung?

Riedo: Weil Kinder eben noch nicht immer wissen (müssen), was sie tun. Und innerhalb eines Spiels kann es zu Abläufen kommen, in die vorher nicht eingewilligt worden wäre. Seite 122 finden Sie auch, dass mein Vater sich bereits sexuell stimuliert hat, wo ein Gegenüber davon nichts merkte. Da hintergeht er also ein Gegenüber sehr direkt.

 

K13online: Als heute erwachsener Sohn eines pädophilen Vaters haben Sie in Ihrer Kindheit nichts von der Pädosexualität Ihres Vaters gewusst. Warum haben auch Sie sich dem heutigen Dogma des sexuellen Missbrauchs unkritisch unterworfen, anstatt sich dem heutigen Zeitgeist entgegen zu stellen?

Riedo: Ich stelle mich dem Zeitgeist aber teilweise entgegen. Ich stelle meinen Vater nicht einfach nur negativ dar.

 

K13online: Ihr Vater gehörte zur damaliger Zeit einer pädophilen Selbsthilfegruppe bzw. Interessengemeinschaft Pädophilie in der Schweiz an. Es war von anderen Mitgliedern dieser Gruppe bekannt, dass sich diese Gruppen auch für die Legalisierung von einvernehmlichen Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen eingesetzt hatten. Warum haben Sie sich als Sohn dieser politischen Zielsetzungen Ihres Vaters im Buch nicht gewidmet?

Riedo: Weil es so nicht seine Zielsetzung war (siehe oben). Und meine ja auch nicht. Es ist mein Buch. Nicht im Aufrag meines Vater entstanden. Aber er war mit einem Buch grundsätzlich einverstanden und wusste, ich würde eine eigene Sicht haben.

 

K13online: Pädophil-liebende Menschen werden im heutigen Zeitgeist auf allen gesellschaftlichen Ebenen ausgegrenzt, geächtet und verfolgt. Glauben Sie, dass Ihr Buch dazu beitragen kann, das TABU der Pädophilie & Pädosexualität zu brechen, damit eine rationale Debatte stattfinden kann?

Riedo: Ich hoffe es. Denn daran würde mir – auch wenn Sie mir das vielleicht implizit absprechen – viel liegen. Es sind so viele Faktoren, es gibt so viele verschiedene Fälle. Man soll nicht einfach alle verteufeln. Ich verurteile also nicht pauschal, ich spreche aber auch meinen Vater nicht grundsätzlich frei. Ich bin ja, gerade als Sohn, betroffen. Das Buch ist kein wissenschaftliches, wo ich ausgewogen analysierend hätte sein müssen in jeder Zeile.

 

K13online: Sie wollen das Autorenhonorar des Buches dem deutschen Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ spenden. Nach dem Lesen Ihres Buches bin ich davon überzeugt, dass Ihr Vater damit nicht einverstanden gewesen wäre. Warum wollen Sie das Honorar trotzdem einem Projekt spenden, welches sich offensichtlich gegen den letzten Willen Ihres Vaters richtet?

Riedo: Es gab keinen letzten Willen meines Vaters. Und wenn, dann bereute er gegen Ende eher seine Taten. Sowieso würde das Buch von einem letzten Willen nicht betroffen, da es ja wie gesagt nicht in seinem Auftrag geschrieben wurde. Dazu hatte mein Vater nichts gegen „Kein Täter werden“, er blieb ja länger als nötig in psychologischer Beratung und nahm auch die Lusttöter länger als nötig.

 

K13online: Ihr Buch ist mit Stand von Ende Oktober 2015 nun etwa vor drei Monaten im Offizin Verlag erschienen. Sie suchen die Diskussion mit dem Leser/In & der Öffentlichkeit. Welche positiven oder negativen Reaktionen gab es bisher und mit welchen Personen/Stellen haben Sie inzwischen Diskussionen zum Thema der Pädophilie geführt?

Riedo: Offiziell ist es erschienen im September 2015. Es gab schon negative Reaktionen: Gerade eben von der Seite von NICHT-Pädophilen. Es gab aber auch viele schöne Reaktionen, von Opfern, von Ärzten, von Schriftstellerkollegen. Von Freunden und einfach so von interessierten Lesern, die es auch als literarisches Werk lesen können, das es ja auch ist.

K13online: Herr Riedo, wir danken für das Interview!

(Ersteinstellung am 9. November 2015)

geschrieben von K13online am 09.11.2015 - ID: 1186 - 1738 mal gelesen Drucken

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