Gutachten Urban
A b s c h r i f t
Institut für Rechtsmedizin der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz - Leiter - Univ. Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban: Vom
Landgericht Trier bestimmter Sachverständiger für ein Gutachten über den
PRD.
A u f t r a g
Mit Schreiben des Landgerichts Trier
wird unter Übersendung von Aktenkopien ein Gutachten zur Frage erbeten, ob der
Sonderband "Anlage zum Protokoll" wissenschaftlich ernstzunehmende
Darlegungen anerkannter Psychologen oder Sexualwissenschaftler zu den
schädlichen Folgen sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern und
zu anderen Fragen enthält. Dem Gutachten liegt die Kenntnis der übersandten
Aktenkopien zu grunde.
G u t a c h t e n
S a c h v e r h a l t
Auf Blatt 2 bis 4 der Aktenkopien
werden zunächst die Ziele und die Themen des so genannten Pedosexual Recources
Directory aufgelistet. Unter anderem heißt es: "Eine Sammlung von
wissenschaftlicher und faktischer Information und fairer, argumentativer
Diskussion über alle Fragen und Probleme , die mit sexuellen Beziehungen
zwischen Kindern und Erwachsenen verbunden sind.".
Ausweislich Blatt 157 ff. der Akten
werden weitere Informationen zur PRD aufgelistet. Unter anderem findet sich der
Hinweis: ... - Die PRD ist nicht als Kontaktbüro gedacht. Wer interessiert ist,
kann die offene Kontaktliste verwenden. Anfragen an mich, um Kontakte mit
anderen herzustellen, sind sinnlos. "Ich würde Ihnen auf jeden Fall raten,
bei Kontakten über das Internet sehr vorsichtig zu sein. Es gibt keine
Möglichkeit, um auszuschließen, dass dahinter sich ein Polizeiagent
verbirgt..."
Ab Blatt 206 der Aktenkopien finden
sich offensichtliche Literaturhinweise. Entsprechende Literaturstellen finden
sich auch ab Blatt 14 der Akten. Im übrigen finden sich Textauszüge aus
Publikationen unterschiedlicher Provenienz sowie persönliche Meinungen,
Interviews oder kommentierte Zitate, die jedoch - dies vorab - keinem
wissenschaftlichem Anspruch genügen.
A u s w e r t u n g d e
r L i t e r a t u r
Bei der Literaturstelle "Albrecht
O.: Die Unzucht mit Kindern... könnte es sich um eine Dissertationsarbeit
handeln, so dass zumindest, da diese offensichtlich die Universitätsprüfung in
Kiel überstanden hat, von einer grundsätzlich wissenschaftlichem Anspruch
genügendem, unvoreingenommenen Recherche und objektiven Darstellung der
Ergebnisse ausgegangen werde kann. Die beiden nachfolgenden Publikationen sind
von hier aus nicht sicher einschätzbar. Danach folgt eine Publikation "Amendt
G...", welche sicher wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt. Die
Publikation "Baurmann M.C...", insbesondere die aus dem Jahre 1983,
genügen in ihrer Gesamtheit sicher im weitesten Sinne wissenschaftlichen
Ansprüchen. Es fällt jedoch auf, dass diese Publikation, soweit sie
unmittelbar zitiert sind, immer nur ausschnittsweise zitiert und nur die
Passagen aufgeführt sind, welche den so genannten Zielen der PRD zuträglich
sind. Insgesamt muss damit festgestellt werden, das die vielfach in den
vorliegenden Akten enthaltenen Ausschnitte aus diesen Publikationen ohne
vernünftigen Zweifel nicht wissenschaftlichen Grundsätzen genügen.
Im weiteren Verlauf der Tabelle finden
sich Publikationen "Bernard F..." aus den Jahren 1972 bis 1982. Diese
sind zumindest anfänglich in Zeitschriften publiziert, welche
wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, so dass davon ausgegangen werden kann,
dass auch der Inhalt der Aufsätze in entsprechender Weise einzuschätzen
ist.
Ausweislich Blatt 208 der Akten finden
sich zunächst einige Aufsätze und eine Dissertation zum Thema sexuelle
Übergriffe auf Kinder. Sie finden sich entweder in Lehrbüchern oder stellen
eine Dissertation dar, so dass davon auszugehen ist, dass der Inhalt entweder
wissenschaftlichen Ansprüchen genügt oder aber einer ausgewogenen Recherche
und medizinischen bzw. psychologischen Beurteilung entspricht. Die Aufsätze
bzw. Manuskripte bzw. Buchbeiträge ab "Himmelein K..." bis "Kerscher
KHI" sind teilweise nur bedingt einzuschätzen, so dass eine abschließende
Stellungnahme hierüber nicht erfolgen kann. Die Aufsätze von "Lempp"
aus den Jahren 1968 und 1977 stellen dagegen zweifelsfrei, zumindest gilt dies
für den Aufsatz aus dem Jahre 1968, Abhandlungen dar, die objektiven und
wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Ausweislich Blatt 209 der Akten finden
sich weitere Literaturzitate, wobei der Beitrag in Acta psychiatrica von
Rasmussen unter Berücksichtigung des Publikationsorgans wissenschaftlichen
Ansprüchen genügen sollte. Weitere entsprechend einzuschätzende
Literaturzitate sind die von Rennert H. und Sackser D. aus den Jahren 1965 und
1977. Die übrigen Beiträge sind nur eingeschränkt einschätzbar bzw. stellen
ohne vernünftigen Zweifel keine Literaturzitate dar, die wissenschaftlichen
Ansprüchen genügen. Dies gilt im wesentlichen auch für die Literaturzitate
auf Blatt 210 der Akten. Es finden sich hier neben zweifelsfrei nicht
wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Literaturzitaten offensichtlich
Begriffsdefinitionen in entsprechenden Lehrbüchern sowie zwei Beiträge von
Stockert und ein Betrag von Wyss, welche in Zeitschriften bzw. bei Verlagen
erschienen, die wissenschaftlichen Ansprüchen bzw. einer objektiven und auf
Recherchen basierenden Literatur entsprechen.
Schließlich finden sich ab Blatt 77
und Blatt 420 sowie ab Blatt 379 der Akten Textauszüge aus Publikationen, von
denen einige, so z.B. Riß und Sick sowie Baurmann grundsätzlich
wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Es fällt jedoch auf, dass nur Passagen
angeführt sind, so dass dem Leser sich der Zusammenhang, insbesondere die
zugrunde liegende Untersuchung oder der wissenschaftliche Hintergrund
nicht erschließt.
G u t a c h t e r l i c h
e S t e l l u n g n a h m e
Im Hinblick auf die im Gutachtenauftrag
aufgeworfenen Fragen ist somit zunächst festzustellen, dass die
Anerkennung von Wissenschaftlern, sei es Psychologen, sei es im
vorliegenden Fall Sexualwissenschaftler in der so genannten Scientific-Community
nur dann seriös gegeben ist, wenn diese in Aufsätzen über ihr Themengebiet
nachvollziehbar objektive Recherchen dazulegen vermögen und das Ergebnis dieser
Recherchen dann ergebnisoffen diskutiert bzw. basierend auf unterschiedlichen
Hypothesen die Gültigkeit einer oder mehrerer Hypothesen zu belegen versuchen.
Die reine Darlegung des eigenen Standpunktes ohne kritische Reflektion
gegensätzlicher Meinungen oder aber auch Erlebnisberichte, ohne diese basierend
auf der einschlägigen Literatur zu diskutieren, stellen dagegen Aufsätze
dar, die allenfalls journalistischen Ansprüchen, nicht aber wissenschaftlichen
Ansprüchen genügen.
Im vorliegenden Fall finden sich sowohl
in den Literturkurzzitaten, als auch in den Ausschnitten aus Abhandlungen
Publikationen in Zeitschriften, welche aufgrund ihres Selbstverständnisses und
ggf. einem die Veröffentlichungen prüfenden wissenschaftlichen Beirat nur
solche Beiträge zulassen, die uneingeschränkt wissenschaftlichen Ansprüchen
genügen. Hierzu sind zweifelsfrei aus den auszugsweise zitierten Publikationen
die Publikationen Riße et al "Tödliche Gewalt von Jugendlichen an Kindern
- sexuelle Motivation im Vordergrund", M. Schetsche " Der
einvernehmliche Missbrauch" - zur Problematik der Begründung des
sexualstrafrechtlichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen, Fickenscher et al
"Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen unter Berücksichtigung
latenter Kriminalität", B. Sick "Die sexuellen Gewaltdelikte oder
Gegensatz zwischen Verbrechensempirie und Rechtswidrigkeit", H. Alltrogge
" Sexualdeliquenten unter Alkoholeinfluss in Schleswig-Holstein ", M.C.
Baurmann "Sexualität, Gewalt und psychische Folgen". Eine
Längsschnittuntersuchung bei Opfern sexueller Gewalt und sexuellen
Normverletzungen anhand von angezeigten Sexualkontakten sowie dort enthaltenen
Einzelbeiträgen zu bezeichnen. Dabei fällt, wie bereits ausgeführt, auf, dass
immer nur Textauszüge, ohne deren wissenschaftliche Basis bzw. den zugrunde
liegenden Rechercheergebnissen zitierte sind, so dass trotz der grundsätzlichen
Wissenschaftlichkeit der Beiträge die in den vorliegenden Akten enthaltenen
Zitate wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen. Entweder wäre es
erforderlich gewesen, die entsprechenden Beiträge vollständig zu zitieren,
oder aber allein als Kurzliteraturhinweis mit Angabe von Titel, Autoren und
Fundstelle aufzuführen.
In den Kurzzitaten, welche sich
mehrfach in den vorliegenden Akten vorfinden, finden sich ebenfalls einzelne,
wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Publikationen, so z.B. O. Albrecht
" Die Unzucht mit Kindern", F. Bernard "Pädophilie - eine
Krankheit? oder Pädophilie und Neurotizismus usw..", E. Geisler " Das
sexuell missbrauchte Kind sowie psychische Schädigung von Kindern als Opfer von
gewaltlosen Sittlichkeitsverbrechen", A. Rasmussen " Die Bedeutung
sexueller Attentaten auf Kinder unter 14 Jahre für die Entwicklung von
Geisteskrankheiten und Charakteranormalien", H. Rennert
"Untersuchungen zur Gefährdung der Jugend und zur Dunkelziffer bei
sexuellen Straftaten", von Stockert " Das sexuell gefährdete Kind
bzw. die Pädophilie und ihre strafrechtliche Problematik" sowie
schließlich R. Wyss " Zur Frage der Spätschäden bei kindlichen Opfern
von Sexualdelikten".
Fasst man die Erkenntnisse aus dem
Studium der vorliegenden Akten zusammen, so finden sich zwar einige,
wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Literaturhinweise, daneben aber auch,
insbesondere bei der Beschreibung der Ziele der PRD und der Selbstdarstellung
der PRD Hinweise darauf, dass eine wissenschaftlich objektive Darstellung von
Sachverhalten nicht uneingeschränkt gewünscht wird. Berücksichtigt man die
Kommentierung einzelner Literaturzitate, so ist festzustellen, dass der Inhalt
der Internetseiten der Pedosexual Recources Direktory wissenschaftlichen
Ansprüchen insgesamt nicht genügt.
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Anmerkung
Dieses Gutachten war Bestandteil der
Beweisführung bei der II. Berufungsverhandlung in der 1. Revision vor dem
Landgericht Trier am 26.04.2005. Es wird erneut Bestandteil der 2. Revision vor
dem Oberlandgericht in Koblenz sein. Die Verteidigung hatte zu diesem Gutachten
einen Befangenheits- und Beweisantrag gestellt, der vom Gericht als
"unbegründet" abgelehnt wurde und hier online einsehbar ist:
http://k13-online.krumme13.org/text.php?id=343&s=read
Die Ablehnung dieses Beweisantrages stellt
einen formalen Revisionsgrund - Verfahrensrüge dar.
Den vollständigen PRD können Sie online
den folgenden Web-Seiten entnehmen:
http://paedosexualitaet.de
Dieser PRD ist der Kontext zum
inkriminierten Erlebnisbericht " Stefan", der in der Berliner
Zeitschrift Gigi (Nr. 27)- nach Prüfung durch die dortige Staatsanwaltschaft -
als strafrechtlich nicht relevant bewertet und damit als legal gilt -
veröffentlicht worden. Die Trierer Justiz jedoch hatte den
"Stefan-Text" für sich genommen und mit dem Kontext PRD als (kinder)pornographisch
eingestuft und damit ein rechtswidriges Urteil verhängt. Anhand von
Strafrechtskommentaren und der Begriffsbestimmung der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Medien ist der "Stefan-Text" eindeutig keine
Pornographie. Mit dem positiven Gutachten zum PRD ist der einzelne Text erst
recht keine Pornographie. Der Autor des PRD - Ilja S. - hatte sich vor
Onlinestellung sachkundig gemacht und vor Gericht nochmals seine ausführliche
Erklärung vorgetragen, die online hier verfügbar ist:
http://k13-online.krumme13.org/text.php?id=171&s=read
Auch wenn der PRD den hohen Anforderungen einer
Universitäts -Wissenschaft nicht im vollem Umfang erfüllen mag, so erfüllt
der PRD dennoch den Ansprüchen einer freien Wissenschaft und muss als eine
wissenschaftliche Abhandlung zum Themenkomplex angesehen werden. Eine
vorsätzliche Absicht, darin einen verbotenen Text -drei Sätze in dem
zweiseitigen Erlebnisbericht- zu veröffentlichen, kann dadurch nicht abgeleitet
und unterstellt werden. Laut Gutachten erfüllt der PRD auch journalistischen
Ansprüchen. Dies bedeutet nach gängiger Rechtsprechung, dass selbst wenn der
einzelne Text pornographisch wäre, der Kontext des PRD diesen Charakter nehmen
würde.
Mit diesem Unrechtsurteil ist die im
Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und die freie
Wissenschaft gefährdet. Neben dem Instanzenweg der Revision steht der Gang zum
Bundesverfassungsgericht/Bundesgerichtshof offen.
Interessierte Personen und Stellen mögen
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