Tagebuch einer Gefangenschaft: 42. Tag, Dienstag, den 28. Juni 2016, in der JVA Bruchsal im geschlossenen Vollzug
Bei Aufschluss um 6 Uhr morgens ertönt vor dem Aufschließen der Zellentür 4226 durch einen Beamten ein deutliches Signal, welches mir noch heute im Ohr hängt. Alle Zellentüren im 4. Flügel bleiben für 30 Minuten geöffnet. In dieser Zeit können die Gefangenen ihre Zellen verlassen und verschiedene Dinge im gesamten Flügel erledigen. Um 6:30 Uhr ertönt erneut ein Signal und die Zellen werden wieder geschlossen. Ein Frühstück wird nicht ausgegeben, weil dieses zusammen mit dem Abendessen für den nächsten Tag ausgehändigt wird. Der Einschluss am Vormittag dauert jeden Tag bis 11:15 Uhr bis wieder ein Signal ertönt und alle Zellentüren wieder durch Beamte geöffnet werden. Die Ausgabe des Mittagessens durch einen Hilfsschänzer erfolgt um 11:30 Uhr. Der Hilfsschänzer kommt mit einem rollenden Wagen über den Gang im Flur an jede Einzelzelle gefahren. Er übergibt dem Gefangenen ein "silbernes" und geschlossenes Tablett, worin sich das Essen befindet und verschließt die Zellentüren wieder. Jeder Gefangene hat aus der Kammer einen Porzelanteller, Besteck, Schneidebrett, Tasse und einen Plastikbehälter zum Frischhalten bekommen. Das Mittagessen kann in den Teller umgefüllt werden. Nach 15 Minuten kommt der Hilfsschänzer mit einem Beamten zurück und holt das "silberne" Tablett wieder ab - und verschließt erneut alle Zellentüren. Der weitere Einschluss dauert bis 15 Uhr und es ertönt wieder ein Signal zum Aufschluss. In der Zeit von 15 Uhr bis 16 Uhr können alle Gefangene der gesamten Anstalt zum Hofgang gehen. Dazu später mehr. Um 16:20 Uhr ist die Ausgabe des Abendessens & Frühstück für den nächsten Morgen. Vor dem letzten Einschluss um 16:45 Uhr ertönt wieder ein Signal. Den Rest des Tages müssen alle Gefangene alleine auf der Zelle verbringen. Allerdings gelten diese Aufschluss- und Einschlusszeiten lediglich für jeden 2. Tag. Dazwischen und am Wochenende dauern die Aufschlusszeiten länger. Später mehr dazu. Außerdem gibt es während der Einschlusszeiten am Nachmittag noch Gruppen-Freizeiten. Dazu später ebenfalls mehr.
Ich gehe um 11:15 Uhr mit 7 Anträgen(Rapportzettel) und 5 Besuchsanträgen über den Gehsteig im Flur zum Dienstzimmer des Bereichsdienstleiters(BDL). Eigentlich wollte ich alle Anträge einfach nur abgeben und auf die Antworten warten. Der BDL stellt mich jedoch zur Rede, ich solle doch alles mündlich vortragen, dass fördere die Kommunikation und das Kennenlernen. Damit hat ER natürlich Recht. Ich erläutere Ihm alle Anträge, warte aber trotzdem auf die Bearbeitung und werde später auch Antworten erhalten. Ich soll eine Einweisung erhalten, die allerdings nicht erfolgen wird. Ich muss mir alle Infos selbst besorgen. Mit dem Vorhängeschloss aus Kislau kann ich hier in Bruchsal nichts anfangen, denn für alle Zellen gibt es richtige Zellenschlüssel und man kann die Zelle vollständig und selbst von außen verschließen, wenn man die Zelle eigenständig bei Aufschluss verläßt. Von innen kann die Zellentür vom Gefangenen nicht verschlossen werden. Meinen Zellschlüssel werde ich erst später erhalten, wenn mein Eigengeld von Kislau in Bruchsal eingetroffen ist. Für diesen Schlüssel muss eine Kaution von 80,00 Euro auf dem Eigengeldkonto vorhanden sein, welches ich aber habe. Bis ich den Schlüssel erhalten habe werde ich meine Zelle also nicht verlassen bzw. abschließen können.
Um 14 Uhr werde ich von einem Beamten aus meiner Zelle abgeholt und zur Abholung meines Einkaufes aus Kislau gebracht. Ich hatte den Beamten beim Transport gebeten, er möge doch bitte dafür Sorge tragen, was er auch getan hat. Die Ausgabe des Einkaufes befindet sich im Keller des Sternbaues. Nun habe ich wieder Einkauf auf meiner Zelle bis zum nächsten Einkaufstermin am 12. Juli 2016. Dennoch muss ich mir ein Feuerzeug von einem neuen Mitgefangen geben lassen. Ein kurzes Gespräch ergibt, dass er Lebenslang hat und schon 23 Jahre im Knast Bruchsal ist. Er hat sich in seiner Zelle verschanzt und kommt fast nie heraus. Die anderen Gefangenen sind für Ihn offenbar unbekannte Wesen. Weil Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der Kammer sogenannter Verschub ist - also Transporte von und an andere JVAs - werde ich erst am Freitag alle meine Sachen aus der Kammer bekommen. Bis dahin muss ich in der furchtbar unpassenden und schäbigen Anstaltskleidung herum laufen. Ich kann auch noch keine Briefe nach "draußen" schreiben und nicht mein Tagebuch fortführen. Es fehlen auch meine Briefmarken. Nur einen Kugelschreiber und etwas Papier hatte ich bei der Einlieferung bei mir.
Auch am 2. Tag in der JVA Bruchsal hatte ich fast keinen Kontakt zu den anderen Mitgefangenen. Sie beobachten mich jedoch ständig, wenn ich die Zelle verlasse. Auf den 3 Ebenen des 4. Flügels liegen etwa 100 Gefangene. Bruchsal hat keine speziellen Zugangszellen, es gibt NUR Einzelzellen auf allen 4. Flügeln des Sternbaues. Neuzugänge kommen also sofort in eine Einzellzellen. Wenn ich dies vorher gewußt hätte, dann hätte ich in Kislau diese Erklärung auf den Verzicht einer Einzelzelle nicht unterschrieben. Damit hätte ich mir die ganzen Angriffe und Vorfälle in den dortigen 8-Bettzellen erspart. Ich bin aber kein Hellseher und konnte dies nicht wissen. Die Nacht wird sehr ruhig und friedlich sein...
Tagebuch einer Gefangenschaft: 41. Tag, Montag, den 27. Juni 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug" und in der Hauptanstalt Bruchsal im geschlossenen Vollzug
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