Revisionsbegründung an OLG Karlsruhe
Auszüge aus der 25-seitigen Revisionsbegründung der Verteidigung an das OLG Karlsruhe

In vorbezeichneter Strafsache wird zu der vom Angeklagten gegen das am 05.12.2012 ergangene und am 10.01.2013 zugestellte Berufungsurteil des Landgerichts Karlsruhe, Auswärtige Strafkammer Pforzheim, eingelegten Revision die nachfolgende

Revisionsbegründung

abgegeben mit den Anträgen

- das Urteil des Landgerichts Karlsruhe, auswärtige Strafkammer Pforzheim, vom 05.12.2012 soweit der Angeklagte verurteilt wurde mit den Tatsachenfeststellungen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zurückzuverweisen, sowie

- die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.


I) Verfahrensrüge

Das Landgericht Karlsruhe, auswärtige Strafkammer Pforzheim hat Teile der Hauptverhandlung, nämlich die Einnahme eines Augescheins, in nichtöffentlicher Sitzung durchgeführt, obwohl ein auf Ausschluss der Öffentlichkeit gerichteter Beschluss bezüglich des vorgenommenen Augenscheins nicht vorhanden war.

1) Prozesstatsachen
(siehe Link unten)

2) Beweis
Während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung bis zum Erlass des Beschlusses auf Ausschluss der Öffentlichkeit bestand seitens des Gerichts keinerlei Möglichkeit, den verlesenen Beschluss zu beraten. Der gesamte Ablauf der Verhandlung stellt sich laut Hauptverhandlungsprotokoll wie folgt dar (Das Protokoll ist im Wortlaut ab Aufruf der Sache wiedergegeben):
(siehe Link unten)

3) Verstöße gegen § 338 Nr. 6 in Verbindung mit § 172 Nr. 1 2. Alt. GVG

a) Mangelhafter Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit, Verstoß gegen §§ 172, 174 I 1 2. Alt GVG i. V. m. § 338 Nr. 6 StPO

Der zitierte Beschluss, mit dem die Öffentlichkeit während der Inaugenscheinnahme der Beweismittelmedien ausgeschlossen wurde, ist fehlerhaft zustande gekommen. Aufgrund dieses Beschlusses hätte die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden dürfen.

Das Ausschließungsverfahren ist ein Inzidentverfahren des erkennenden Gerichts in der Besetzung, in der die Hauptverhandlung stattfindet, unter Mitwirkung der Schöffen. (Meyer-Goßner GVG § 174 Rdnr. 1). Die Ausschließung hat durch Beschluss des Gerichts zu erfolgen (§ 174 GVG), eine Anordnung des Vorsitzenden genügt nicht (BGH NStZ 99, 371)
Das Landgericht hat den (offenbar vorgefertigten) Beschluss jedoch nicht unter Einbeziehung der Schöffen beraten, wie sich aus dem durch das Protokoll bewiesenen Ablauf der Hauptverhandlung ergibt. Während der Hauptverhandlung gab es zum einen keine Unterbrechung, während der der Beschluss hätte beraten werden können, zum anderen hat auch, wie sich ebenfalls aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, vor der Verkündung des Beschlusses keine Beratung desselben stattgefunden....

.....Nachdem die Schöffen am Zustandekommen des Beschlusses nicht beteiligt waren, handelt es sich hierbei in Wirklichkeit nicht um einen Beschluss, sondern um eine Verfügung des Vorsitzenden im Gewand eines Gerichtsbeschlusses. Damit sind die Voraussetzungen der §§ 172, 174 GVG beim Zustandekommen des Ausschließungsbeschlusses nicht eingehalten. Dieser Rechtsfehler hat zur Folge, dass die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen wurde, § 336 Nr. 6 StPO(Meyer-Goßner GVG § 174 Rdnr. 21, BGH NStZ 99, 372)

Vom Ausschließungsbeschluss nicht umfasste Verfahrenshandlungen während des Ausschlusses der Öffentlichkeit.
(siehe Link unten)

4) Beruhen

Bei einem Verstoß gegen § 338 Nr. 6 StPO handelt es sich um einen absoluten Revisionsgrund, so dass das Urteil immer auf dem Verfahrensfehler beruht. Es ist lediglich zu prüfen, ob das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. Meyer-Goßner § 338 Rdnr. 50), beispielsweise nur Tatabschnitte betrifft, die vom Teilfreispruch oder einer Beschränkung nach § 154a StPO betroffen waren.
(siehe Link unten)


II) Sachrüge

1) Kinderpornographie

Zu Unrecht hat das Landgericht bezüglich des Videos „Jugend der Welt Tropenstrand“ und der DVD „Boys Fantasy Nr. 1“ den Tatbestand des Besitzes kinderpornographischer Schriften für erfüllt gehalten. Die auf den Datenträgern vorhandenen Abbildungen und Filmsequenzen sind nicht pornographisch im Sinne des § 184b StGB....

......Bereits die Frage, ob es sich bei den gegenständlichen Abbildungen um „sexuelle Vorgänge“, oder, dem Wortlaut des Gesetzes nach, um „sexuelle Handlungen“ über der Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB handelt, hat das Landgericht nicht in rechtsfehlerfreier Weise beantwortet.
Bekanntermaßen ist die Sichtbarkeit menschlicher Geschlechtsteile auf Abbildungen an sich noch nicht als sexuelle Handlung zu werten.

Gerade in den Ausführungen des Gerichts zu der DVD „Boys Fantasy Nr. 1“ wird schon überhaupt nicht deutlich, welchen Sexualbezug die Sichtbarkeit des Geschlechtsteils bzw. (in einem Fall des Anus) der abgebildeten Person haben soll. Soweit im Urteil erwähnt wird, dass die Darstellung jeweils ohne einen übergeordneten, nachvollziehbaren Kontext, etwa einer „Story“ erfolgt, reicht diese Feststellung nicht aus, um die Definitionsvorgaben des BGH und des KG auszufüllen. Insbesondere handelt es sich bei der DVD „Boys Fantasy“ wie im Urteil ausgeführt um ein Fotoshooting. Eine „Story“ ist mit einem Fotoshooting in aller Regel nicht verbunden. Stattdessen hätte es sich von Seiten des Gerichts aufdrängen müssen, die Frage zu stellen, ob die vorhandenen Fotografien etwa eine künstlerische Darstellung des nackten Körpers beinhalten. Sexuelle Handlungen der abgebildeten Jungen oder an ihnen sind im Urteil nicht beschrieben.

Das Landgericht hat daher zu Unrecht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 184b StGB bejaht.

2) Irrtumsproblematik

....Dabei hat die Kammer jedoch verkannt, dass die Frage, ob die Darstellungen „pornographisch“ waren oder nicht, auch den Tatbestand selbst betrifft: Pornographie ist Merkmal des objektiven Tatbestandes des § 184b StGB. Irrt sich der Angeklagte über dieses Merkmal, wovon die Kammer offenbar ausgegangen war, wenn sie den Irrtum auch für vermeidbar hielt, dann liegt ein Tatbestandsirrtum seitens des Angeklagten vor, der zur Folge hat, dass eine vorsätzliche Begehungsweise des § 184b StGB ausscheidet.

Eine Auseinandersetzung damit findet im Urteil nicht statt, hätte sich aufgrund der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten der Kammer aber aufdrängen müssen.

3) Ungenügende Überlegungen zur Versandabsicht bezüglich der jugendgefährdenden Schriften

....Weiterhin stellt die Kammer fest, der Angeklagte habe nicht sichergestellt, dass nicht auch ein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgen konnte, weil er dies bei den (anderen) Medien, die er tatsächlich auch versandt habe, auch nicht getan habe, beispielsweise, weil er eine Sendung als Paket über Hermes-Online versandt habe. Auch hier hat die Kammer nicht festgestellt, ob die tatsächlich möglicherweise ohne Altersüberprüfung versandten Medien jugendgefährdenden Inhalt gehabt hatten. Der Schluss dahingehend dass jemand ein normales Paket ohne Alterskontrolle versendet, dies auch bei einem Paket mit jugendgefährdendem Inhalt so handhabt, ist aber unzulässig.

4) Fehlerhafte Strafzumessung

.....Die Tatsache, dass seit der letzte Verurteilung zu einer Haftstrafe durch das Amtsgericht Bitburg zum Verurteilungszeitpunkt bereits beinahe 15 Jahre vergangen waren und dass die letzte Verurteilung durch das Amtsgericht Hamburg-Altona lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zur Folge hatte, wäre jedoch in diesem Zusammenhang zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen gewesen. Hierüber hat sich das Landgericht ersichtlich keine Gedanken gemacht.

Ebenso wenig hat das Landgericht im Urteil die Tatsache berücksichtigt, dass der Angeklagte den Besitz der ihm angelasteten Medien (bis auf zwei Ausnahmen) eingeräumt hat.

5) Unvollständige Berücksichtigung von Gesichtspunkten zur Sozialprognose

....Bei der Frage der Sozialprognose hat die Kammer nicht in ihre Erwägungen einbezogen, dass der Vollzug der letzten Freiheitsstrafe bereits 13 Jahre zurück liegt und seitdem nur eine einzige weitere Verurteilung, nämlich zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, erfolgt ist. Soweit die Kammer erwähnt, der Angeklagte habe sich „auch schon einmal mehrere Jahre unauffällig verhalten“ (Urteilsausfertigung S. 16, 1. Absatz), scheint dies die Kammer als Argument gegen eine positive Sozialprognose zu verstehen.

Der lange zeitliche Abstand nach einer Verurteilung oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist aber ein gewichtiger Gesichtspunkt zu Gunsten des Angeklagten bei der Erstellung der Sozialprognose, den das Gericht nicht hätte außer Acht lassen dürfen. Genau das hat die Strafkammer aber getan.

6) Keine Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Strafvollstreckung (Vollstreckungslösung)

Die Strafkammer hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Hierbei hat es zwar berücksichtigt, dass das Verfahren lang gedauert habe.

Zusätzlich ist nach der neueren BGH-Rechtsprechung in Fällen der überlangen Verfahrensdauer auszusprechen, dass ein bestimmter Teil der ausgeworfenen Strafe bereits vollstreckt sei. Daran fehlt es im Urteil.

Die Verfahrensdauer war überlang. Das Verfahren wurde aufgrund einer Strafanzeige im Januar 2009 eingeleitet. Die Durchsuchung beim Angeklagten fand im Februar 2009 statt. Die Anklageschrift datiert vom ….. 2010. Im selben Jahr wurde das Hauptverfahren eröffnet.

Weitere Verfahrenshandlungen sind bis zur erstinstanzlichen Verurteilung im Dezember 2011 nicht zu erkennen. Bis zur Verurteilung in der Berufungsinstanz verging ein weiteres ganzes Jahr. Bis zum Zeitpunkt des Urteils des Landgerichts Karlsruhe sind somit beinahe vier Jahre vergangen, obwohl der Umfang und die Schwierigkeit der Sache überschaubar waren. Die Verzögerungen im Verfahrensablauf hat auch nicht der Angeklagte zu vertreten, sondern die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, das Amtsgericht Pforzheim sowie das Landgericht Karlsruhe.

Das Landgericht hätte daher im Urteil einen Teil der ausgeworfenen Freiheitsstrafe für verbüßt erklären müssen.

7) Allgemeine Sachrüge

Die Sachrüge ist darüber hinaus allgemein erhoben.

III) Stellungnahme zur Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft

Der freisprechende Teil des Urteil ist im Gegensatz zur Auffassung der Staatsanwaltschaft rechtsfehlerfrei zustande gekommen...
(siehe Link unten)

Vollständiger Schriftsatz der Revisionsbegründung vom Verteidiger Leonard Graßmann München
http://www.krumme13.org/downloads/k13online%20redaktion/RevisionsbegruendungOLG.pdf
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Pforzheimer Justizskandal: K13online Redaktion(Gieseking) sendet Revisionsbegründung(Ra Graßmann) an das Oberlandesgericht(OLG) KarEine Verfahrensrüge(Ausschluss der Öffentlichkeit unzulässig entstanden) und sieben Sachrügen(Begriff "Kinderpornografie", Irrtumsproblematik, keine Versandabsicht, fehlerhafte Strafzumessung, Sozialprognose, überlange Verfahrensdauer und allg. Sachrüge)lsruhe zur Endscheidung - vom 09.02.2013

Im Pforzheimer Justizskandal hat die Verteidigung die Revisionsbegründung an das Oberlandesgericht(OLG) Karlsruhe übersandt und beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben. Als absolute Verfahrensrüge wird die Unzulässigkeit des "Beschlusses" zum Ausschlusses der Öffentlichkeit während der Inaugenscheinnahme der Datenträger genannt. Darüber hinaus gibt es sieben weitere Sachenrügen. Erkennt das OLG mindestens einen der acht Revisionsgründe an, so wird das Urteil des Landgerichts nicht rechtskräftig. Das OLG verweist dann das Verfahren an eine andere Strafkammer eines Landgerichts zur erneuten Endscheidung in mündlicher Verhandlung mit erneuter Beweisaufnahme zurück. Unabhängig davon läuft die Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiter...
http://krumme13.org/news.php?s=read&id=2450
geschrieben von K13online am 09.02.2013 - ID: 1003 - 2980 mal gelesen Drucken

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