Tagebuch einer Gefangenschaft: 130. - 132. Tag

Tagebuch einer Gefangenschaft: 130. Tag, Samstag , den 24. September 2016 in der JVA Bruchsal im geschlossenen Vollzug

Gleich nach dem Aufscchluss um 7 Uhr ist wieder das wöchtliche Reinigen des Haftraumes angesagt. Hole mir von der Ausgabe zwei kleine Becher Erdbeermarmelade ab. DAS soll das Frühstück für drei Wochen sein. Damit kommt man allerdings nur vier Tage hin. DAS ist einfach eine Frechheit. Um 9:15 Uhr gehe ich wieder zum Duschen. In meiner Zelle 4226 höre ich ein lautes Schreien eines Jungen "Draußen". Meinem Haftrraum genau gegenüber ist ein kleiner Hof, wo Familien mit Kindern die Gefangenen besuchen können. Ab und zu spielen die Väter mit ihren Söhnen auch Fußball. Das kleine Fenster in meiner Zelle befindet sich ganz oben unter der Decke. Ich muss also beim Rausschauen den Heizkörper auf die Fensterbank hochklettern, um raus schauen zu können. Oder anders gesagt: Man hat beim Aufenthalt im Haftraum keine Möglichkeit auf gleicher Ebene nach Draußen zu schauen, sondern man guckt immer an die weißen Wände. Nach dem Mittagessen schlafe ich wieder bis 14 Uhr zum Hofgang bis 15 Uhr. Treffe dort wieder Peter K., dem es psychisch nicht gut geht. Es ist wieder Essentausch angesagt. Meinen "schönen" Gurkensalat, der zum Kotzen schmeckt, will niemand haben. Peter K. bringt den Frass zu einem Gefangenen, der offenbar alles frisst.

Im 3. Stock des 4. Flügels schreit ein Gefangener laut auf. Man hört beim Knastfunk, er macht einen Hungerstreik. Zum Abendessen gibt es sage und schreibe 8 Scheiben Salami. DAS ist ein Festessen im Knast. Meine "Vorratskammer" in der Schrankwand neigt sich dem Ende. Oft stehe ich vor dieser Wand und bin am Kalkulieren, um täglich etwas davon essen zu können: Es ist im Moment noch ein Apfel, eine Tomate, ein Stück Marmorkuchen, ein Stück Erdbeerrolle, ein paar Salzstangen und fünf Bonbons vorhanden. Am kommenden Dienstag beim regulären Einkauf werde ich nichts einkaufen können, weil das restliche SG1 für diesen Monat von "Draußen" nicht überwiesen wurde. Für zwei Wochen wird meine "Vorratskammer" also leer sein. Es kommen schwere Zeiten auf mich zu. So läst sich nicht gut schlafen...

Tagebuch einer Gefangenschaft: 131. Tag, Sonntag , den 25. September 2016 in der JVA Bruchsal im geschlossenen Vollzug

In der Nacht habe ich bis 4 Uhr morgens TV geschaut. Auf diese Weise kann man auch am Tag etwas schlafen und die Zeit scheint schneller zu vergehen. Vom Gefangenen auf Zelle 4310 bekomme ich wieder eine Handvoll Zigarettenkippen zum neuen Selbstdrehen mit Blättchen. Erstaunlicherweise kommen mit dem stark reduzierten Tabak-Konsum gut klar. Peter K. kommt wieder kurz auf meine Zelle, und wir unterhalten uns über "Gott und die Welt". Die Themen sind weit weg von meinen sonst in Freiheit üblichen Themen. Lese wieder in SZ von Peter K. und geben sie Ihm dann wieder zurück. Am Nachmittag setze ich mich wieder an den kleinen Tisch und schreibe nochmals einen Brief an die Richterin der Strafvollstreckungskammer. Sie hat noch immer nicht über meinen Antrag auf 2/3 Strafe entschieden. Am Abend esse ich meine letzten Stücke Kuchen für die nächsten zwei Wochen. Und schaue TV bis zum Umfallen...

Tagebuch einer Gefangenschaft: 132. Tag, Montag , den 26. September 2016 in der JVA Bruchsal im geschlossenen Vollzug

Heute bekomme ich zwei Briefe von Freunden "Draußen". Der eine kommt vom Weblog-Inhaber "Tinjos" in der Schweiz. Der andere kommt von Beat Meier in der Schweiz. Über Ihn findet man auf meinen Webseiten mehrere News, denn er ist in der JVA Pöschwies schon seit über 22 Jahren in Verwahrung. Da komme ich mir mit meinen sechs Monaten ziemlich mickrig vor. Mir wird klar, was so viele Jahre im Knast wirklich bedeuten. Auch den Lesern/Innen meines Online-Tagesbuches sollte klar werden, was dies tatsächlich bedeutet.

Um 15 Uhr werde ich zum diesthabenden BDL gerufen. Er legt mir eine Einverständnis-Erklärung für die Weihnachtsamnestie vor. Gefangene, die ihren regulären Entlassungstermin im Zeitraum vom 17. November bis zum 8. Januar haben können bei Vorhandensein der Voraussetzungen früher entlassen werden. Bei mir sind diese Voraussetzungen auch bei meiner Deliktsart vorhanden. Ich unterschreibe diese Erklärung für EINEN Tag vorzeitiger Entlassung zum 16. Dezember, anstatt zum 17. Dezember 2016. Na, "bravo!"

Das Leben im Knast geht also unvermindert weiter. Um 15:15 Uhr gehe ich wieder zusammen mit Peter K. zum Hofgang. Wir machen uns über den einen Tag Weihnachtsamnestie lustig. Danach kommt er mit auf meine Zelle bis 19:30 Uhr zum Einschluss. Wir raten bei der bekannten TV-Shows "Wer wird Millionär" mit. Peter K. hat ja keinen TV auf seiner Zelle. Mit dem Gefangenen auf Zelle 4208 tausche ich wieder Kaffee gegen Tabak. Peter K. schenkt mir seinen Wurstsalat vom Abendbrot. Verärgert über das fehlende SG1 schreibe ich meinen Freunden wieder Briefe und erzähle von der "tollen" Amnestie. Ein Freund wird mir in seinem Brief antworten, dass ich den einen Tag Amnestie nicht hätte annehmen sollen. Das ist natürlich Unsinn und kein Protest gegen irgendwas. Viele Gefangene glauben, dass die JVA bzw. deren Beamte die Schuld am Knast hat und betrachten diese als ihre Feinde. Das ist nicht nur falsch, sondern auch völlig kontraproduktiv. Die Staatsanwaltschaft bzw. die Gerichte tragen die alleinige Verantwortung für einen Knastaufenthalt. Das trifft auch auf mich zu, wenn ich mich als politischen Gefangenen bezeichne. Mein Online-Tagebuch ist somit auch KEIN politisches Kampfmittel, denn darin beschreibe ich lediglich alle Ereignisse wie diese wirklich geschehen sind. Das UNrecht der juristisch und politisch Verantwortlichen finden man auf diesen Webseiten in den Archiven zur Genüge. Bei meinem Online-Tagebuch halte ich mich strickt an meine handschriftliche Original-Vorlage, die ich damals im Knast beschrieben habe. Es kommen dabei natürlich immer wieder die Erinnerungen hoch und sind aktuell präsent. Dieser Teil der Aufarbeitung wird erst am letzten Tag meines Online-Tagebuches abgeschlossen sein. Es wird Teil meiner Biografie werden und der Vergangenheit angehören. Mögen sich später Historiker damit beschäftigen und vielleicht sogar nächste Generationen die pädophile Geschichte darüber verfassen. Das Internet vergißt nicht...


Tagebuch einer Gefangenschaft: 129. Tag, Freitag, den 23. September 2016 in der JVA Bruchsal im geschlossenen Vollzug

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geschrieben von K13online am 19.12.2017 - ID: 1373 - 1542 mal gelesen Drucken

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