Loving Boy Verfahren: Revisionbegründung OLG Hamburg
Rechtsanwalt Leonhard Graßmann
Sophienstr. 3
80333 München


Amtsgericht Hamburg - Altona
Postfach 500122

22701 Hamburg


München, 28.09.2006 4/04G07 GR D13024


325 Cs 7102 Js 201/03 (405/05)

Strafsache gegen Gieseking, Dieter
wegen Verdachts des Anpreisens jugendgefährdender Trägermedien



In vorbezeichneter Strafsache wird das eingelegte Rechtsmittel als

R e v i s i o n

bezeichnet. Zu der mit Schriftsatz vom 09.08.2006 gegen das am 03.04.2006 verkündete und am 04.09.2006 zugestellte Urteil eingelegten Revision wird die nachfolgende

Revisionsbegründung

abgegeben mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen; hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.

I.) Kein Anpreisen im Sinne der §§ 15 I Nr. 6, 27 I Nr. 1 JuSchG

1)
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Anpreisens jugendgefährdender Trägermedien gemäß §§ 27 I Nr. 1, 15 I Nr. 6 JuSchG schuldig gesprochen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte am 16.10.2003 auf der von ihm betriebenen, zu verantwortenden und frei zugänglichen Website www.krumme13.org in einer Liste von Büchern zum Thema Pädophilie das gemäß BAnz. Nr. 81 vom 30.04.1999 indizierte Buch „Loving Boys“ des niederländischen Autors Dr. Edward Brongersma vorgestellt und in einem begleitenden Text geschrieben hatte:
Loving Boys“ ist die erste interdisziplinäre Studie über das pädosexuelle Abenteuer – eines der letzten großen Tabus unserer Zeit. Ihr Verfasser, Dr. Edward Brongersma, beschreibt die Beziehung zwischen Jungen und Erwachsenen aus sexuologischer, historischer, soziologischer und ethnologischer Sicht. Viele Beispiele würzen das spannend und lehrreich geschriebene Werk, das jeden Knabenliebhaber erfreuen und aufmuntern und alle Skeptiker eines Besseren belehren wird. „Loving Boys“ ist ein wichtiger Beitrag zur sexuellen Befreiung unserer Jugend und unerlässlich für jeden gebildeten Erzieher. Wer etwas für Knaben übrig hat, muss „Loving Boys“ lesen. Abgabe ab 18 Jahren. Dieses Buch ist zur Zeit ab Verlag nicht mehr erhältlich.“ (der kursiv gedruckte Teil ist im Urteil nicht abgedruckt). Mit Ausnahme des Hinweises, dass das Buch nicht mehr erhältlich sei, handelt es sich hierbei um den Original-Klappentext des Buches.

Bei dem Autor handelt es sich um einen niederländischen Juristen und ehemaligen Parlamentsabgeordneten, der neben juristischen, geschichtlichen, religiösen und sozialwissenschaftlichen Werken auch solche zum Thema Sexualität veröffentlichte.

Diese Buchvorstellung hat das Amtsgericht fälschlich als „Anpreisen“ i. S. d. § 15 I Nr. 6 bzw. § 27 I JuSchG gesehen.

Jedoch kommt es bei dem Tatbestandsmerkmal des „Anpreisens“ entscheidend darauf an, dass neben einer lobenden und empfehlenden Erwähnung und Beschreibung des jugendgefährdenden Erzeugnisses, dass der Interessent jedenfalls konkludent auch auf mögliche Bezugsquellen aufmerksam gemacht wird. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 04.11.1986, BGH St 34, 219ff, damals noch zum alten § 5 GjS darauf abgehoben, Sinn der Vorschrift sei zu „verhindern, dass Personen unter 18 Jahren für indiziertes Material indiziert und auf mögliche Bezugsquellen aufmerksam gemacht werden“.

Der Auffassung des Amtsgerichts, auf das Aufmerksammachen auf eine mögliche Bezugsquelle komme es nicht an, kann nicht gefolgt werden.

Zwar wird in der genannten Entscheidung des BGH das Erfordernis eines Hinweises auf eine mögliche Bezugsquelle im Zusammenhang mit der Definition des „Werbens“ im Sinne des alten § 5 GjS erwähnt. Jedoch verweist der BGH in seiner Entscheidung gerade auch auf die Kommentierung des § 184 StGB bei Schönke/Schröder. Die Vorschrift des § 184 I StGB bezieht sich jedoch ausdrücklich auch auf das „Anpreisen“ (§ 184 I Nr. 5) als einen Aspekt der Werbung.

Gemäß den Feststellungen des Amtsgerichts wurde eine Bezugsquelle auf der Website des Angeklagten gerade nicht genannt. Insbesondere konnte man das Buch nicht beim Angeklagten bestellen.

Bereits aus diesem Grund ist das Tatbestandsmerkmal des „Anpreisens“ nicht erfüllt.

2)
Darüber hinaus setzt der Begriff des „Anpreisens“ sinnnotwendig voraus, dass das lobend erwähnte Objekt überhaupt existiert. Dies ist nicht der Fall. Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge hat der Angeklagte auf seiner Website darauf hingewiesen, dass das Buch „Loving Boys“ ab Verlag nicht mehr erhältlich sei. Die „lobende Erwähnung“ einer nicht (mehr) existierenden Sache fällt aber nicht unter den Begriff des „Anpreisens“. Auch durch den Hinweis auf eine früher zwar bestehende, aber nicht mehr existierende Bezugsquelle stellt kein „Anpreisen“ dar. Im Übrigen ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen gerade nicht, dass auf die früher existierende Bezugsquelle hingewiesen worden wäre, insbesondere nicht auf den Verlag oder einen Händler.

3)
Soweit das Amtsgericht in den Hinweis, das Buch sei ab Verlag nicht mehr erhältlich, als quasi verdeckte Empfehlung an interessierte Kreise interpretiert, sich nach anderen Bezugsquellen umzusehen, ist dieser Schluss unzulässig und durch das Ergebnis der Hauptverhandlung in keiner Weise gestützt.


II) Tätigkeit und Website des Angeklagten

Zu der Website des Angeklagten ist zu bemerken, dass der Angeklagte seine Veröffentlichungen auf seiner Website als journalistische Berichterstattung zum Thema der Pädophilie versteht und die Veröffentlichungen im Lichte des Grundrechts der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung gesehen und ausgelegt werden müssen. Die veröffentlichte Literaturliste und damit auch die Aufführung des Klappentextes des Buches stellt nur einen geringen Anteil der auf der Website enthaltenen Informationen dar.

Dies hätte das Amtsgericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen müssen.


III.)

Daneben ist die Sachrüge auch allgemein erhoben.



Leonhard Graßmann
Rechtsanwalt

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geschrieben von K13online am 05.10.2006 - ID: 470 - 4561 mal gelesen Drucken

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