Tagebuch einer Gefangenschaft: 29. - 31. Tag | |
Tagebuch einer Gefangenschaft: 29. Tag, Mittwoch, den 15. Juni 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug" Am heutigen Morgen lege ich "Messel" wieder mehrere verschlossene Briefe auf den Flurtisch im Revierbau, damit er diese zur Arbeit in den Schlossbau mitnehmen und dort direkt in den Postausgang einwerfen kann. Ausgehende Briefe werden nicht geöffnet und auf "Messel" kann man sich verlassen. Alle Briefe werden die Empfänger erreichen. In der Werkstatt U5 gibt es heute Differenzen zwischen dem Vorarbeiter "Alex" und einem Gefangenen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man sich das Leben bei der Arbeit auch noch unnötig schwer machen muss. Wir sitzen doch alle im gleichen Boot. Ich versuche zu erklären, dass man die Arbeitszeit möglichst "gemütlich" und ohne gegenseitige Streitereien verbringen sollte. Das die Arbeit völlig eintönig ist, sollte doch jedem Gefangenen klar sein. Aber man hat doch eine Beschäftigung und kann für den Arbeitslohn etwas einkaufen. Allein DAS zählt doch. Die Situation im Knast kann man nicht ändern. Nach der Arbeit bekomme ich um 16 Uhr einen neuen Gefangenen auf meine Zelle 301. Es ist der "Oliver R." aus der Werkstatt U5, der zuvor in einer 8-Bett Zelle im Schlossbau gelegen hat. Es hat sich natürlich herum gesprochen, dass ich in einer großen 3-Bett Zelle ganz alleine liege - und damit Privilegien genisse, die andere Gefangene nicht haben. Der "Oliver R." hat sich einen medizinischen Grund einfallen lassen, der zu dieser Verlegung geführt hat. Er wird mir erzählen, dass er wegen einem Drogendelikt im Knast ist und wegen Drogen gesundheitliche Probleme hat. Er wollte eigentlich auf eine Einzelzelle, die es in Kislau aber nicht gibt, und war deshalb ziemlich überrascht, dass ich es bin, der auf der Zelle 301 schon ist. Natürlich weiß auch ER über die verbreiteten Gerüchte zu meiner Person Bescheid. Ein Arbeiter aus dem Malerbetrieb hilft Ihm beim Umzug. "Oliver R." richtet sich gleich in seiner Zellenecke ganz separat ein. Damit gibt er gleich zu Anfang zu erkennen, dass er zu meiner Person Distanz halten will. Wir Beide können an der neuen Situation nichts ändern. Wir müssen halbwegs miteinander klar kommen. Eine seiner Macken wird gleich deutlich: Er fragt mich, ob ich auch zu den Gefangenen gehöre, die im Stehen pinkeln. Na, dass wird ja noch lustig werden. Er ist schon seit 6 Monaten im Knast und hat seine Endstrafe im September, wo ich meinen 2/3 Termin habe. Er hat wegen seiner Arbeit viel einkaufen können und das ist natürlich gut. Am Abend kommt auch wieder "Messel" auf unsere Zelle und Beide verstehen sich offenbar sehr gut. Vom Postbeamten bekomme ich erstmals nicht alles aufgehändigt. In einem Brief befand sich ein neuer Schreibblock, der angehalten wurde und in meine Habe geht. Alles was man in der JVA kaufen kann, darf nicht per Briefpost geschickt werden. Beim abendlichen TV-Fußball lernen "Oliver R." und ich mich etwas näher kennen. Der erste gemeinsame Abend verläuft friedlich, und ich bin auch irgendwie froh darüber, dass ich die Zeit nach der Arbeit nicht mehr ganz alleine auf meiner Zelle verbringen muss. Ein Gesprächspartner hat natürlich auch seine Vorteile. Auch wenn ER seine Ecke hat, und ich meine Ecke. Tagebuch einer Gefangenschaft: 30. Tag, Donnerstag, den 16. Juni 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug" Die erste Nacht zu Zweit habe ich sehr schlecht geschlafen. "Oliver R." distanziert sich immer mehr von meiner Person. Wir gehen am Morgen getrennt in die Werkstatt U5. Er hat Angst vor den anderen Arbeitern in U5 und seinen früheren Zellengenossen, dass man Ihn in die gleiche Schublade steckt, in der ich mich schon befinde. Das versuche ich zunächst zu respektieren und zu verstehen. Wir müssen uns bei der Arbeit auch nicht als die besten Freunde verhalten. Aber auf unserer Zelle müssen wir miteinander gut klar kommen. Der Vorarbeiter "Alex" stellt mich erneut wegen meiner Delitiksart zu Rede. "Alex" meint, er sei nun mein "Wachhund" und müsse auf mich aufpassen, dass mir nichts passiert. Da ist natürlich was dran. Ich erkläre jedoch, dass ich mich zu meiner Deliktsart nicht weiter äußern werde, weil sinn- und zwecklos. Ich möchte nur so behandelt werden, wie alle anderen Gefangenen auch. Auch das wird zunächst akzeptiert. Bei "Oliver R." stellt sich in den Gesprächen heraus, dass er eine ausländerfeindliche Gesinnung hat. Das macht mir natürlich Sorgen. Im Schlossbau wird eine Zelle als Drogenzelle bezeichnet und eine andere Zelle als Nazizelle. Auch das bereit mir große Sorgen. "Oliver R." igelt sich am Abend immer mehr in seiner Ecke ein. Wir essen das Abendbrot nicht gemeinsam an einem Tisch. Ich esse am Esstisch, und Er an einem kleinen Rolltisch in seiner Ecke. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine zwangsweise Zweiergemeinschaft, die ein angenehmes Zusammensein ermöglichen. Mit dem inzwischen im Freigang in Bruchsal befindlichen "Roland" gab es solche Probleme überhaupt nicht. Wir Beide waren trotz seines ADHS gut klar gekommen. Tagebuch einer Gefangenschaft: 31. Tag, Freitag, den 17. Juni 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug" Am heutigen Morgen bei der Arbeit in U5 gibt es wieder unnötigen Streß. Der Vorarbeiter "Alex" ist nicht da, weil er einen Termin beim Anstaltspsychologen hat. Ein anderer Gefangener soll Ihn vertreten. Dieser spielt sich gleich auf, als wenn ER nun der Vorarbeiter wäre. Das gefällt den anderen Gefangenen überhaupt nicht. Ich halte mich aus diese unsinnigen Streitereien völlig heraus. Es gibt wahrlich andere Dinge, die viel wichtiger sind. Bei Arbeitsschluss um 15 Uhr fege ich die Werkstatt freiwilig. Freitags wird immer die Werkstatt gereinigt und jeder Gefangene ist mal beim Fegen dran. "Oliver R." gibt erneut seine Abneigung gegenüber meiner Person zu erkennen. Ich soll gefälligst meine Arbeitskleidung wechseln, damit es nicht so stinkt. Das verlautbart er so deutlich, dass alle anderen Gefangenen das hören können - und damit erkennbar wird, dass ER mit mir nichts am Hut hat. Wir gehen auch getrennt von der Arbeit zurück in den Revierbau. Auf der Zelle 301 angekommen fängt "Oliver R." an, die gesamte Zelle übergründlich zu reinigen. Das macht mich natürlich stutzig. Es stellt sich heraus, dass er eine Allergie haben soll und das auch der Grund sein soll, dass ER in das Krankenrevier gekommen ist. Er geht auch regelmäßig in die unten im Revier befindlichen Räume der Sanitäter und zum Arzt. Nun, wenn er das so sagt, dann muss ich das erst einmal so glauben. "Messel" kommt wieder kurz auf unsere Zelle, und ich schenke Ihm etwas von meinem Zucker. Dann verschwindet er gleich wieder und läß mich mit diesem "Oliver R." alleine. Am Abend schauen wir Beide TV und schlafen früh ein. Mein neuer Zellengenosse hat wohl einen großen Nachholfbedarf an Schlaf, denn in einer 8-Bettzelle kann von einem ruhigen Schlaf keine Rede sein. Das kommende Wochende wird weiteren Aufschluss darüber geben, mit welchem neuen Gefangenen "Oliver R." ich es zu tun haben werde.. Tagebuch einer Gefangenschaft: 26. - 28. Tag in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug" |
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geschrieben von K13online am 05.02.2017 - ID: 1236 - 1721 mal gelesen |
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