Tagebuch einer Gefangenschaft: 7. Tag, Dienstag, den 24. Mai 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug"
Beim morgentlichen Wecken mit Aufschluss der Tür vom Flur ins Treppenhaus zu den Räumen der Ärzte bin ich immer schon wach. Roland liegt wie immer noch im Bett und schläft weiter. Ich bekomme das beantragte Vorhängeschloss ausgehändigt. Zwei Schlüssel bleiben bei mir, ein Schlüssel behält die Beamtin Frau W. vom Revierbau. Sie kann also auch während meiner Abwesenheit die Schranktür öffnen und den Inhalt kontrollieren. Im Laufe des Vormittages ist Bettwäschetausch der Anstaltsbettwäsche. Ich habe jedoch meine Privat-Bettwäsche mitgebracht und schlafe darin. Den ganzen Tag trage ich meine private Bekleidung. Die erhaltene Arbeitskleidung werde ich erst zum Ende des Monates benötigen. Auch wird mir die aufgeladene Telefonkarte mit 20,00 Euro Telefongeld ausgehändigt. Der Anbieter Telio ist Markführer in JVAs: http://www.tel.io/de/ Die Telefongespräche der Gefangenen werden nicht LIVE mitgehört, aber sie werden bei Telio aufgezeichnet. Bei begründeten Anlässen können die Inhalte der Gespräche also von der JVA angefordet werden. Es bedarf bei Stichproben jedoch der Zustimmung des Gefangenen. Nur wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, dürfen Telefongespräche überwacht werden. Eigentlich hatte ich vor, dass ich meinen Koordinator "Draußen" einmal die Woche anrufe und Ihn persönlich über alle Ereignisse informiere. Wegen der hohen Telefonkosten entschließe ich mich jedoch, Ihn nur brieflich zu informieren. Das Guthaben auf der Telefonkarte behalte ich mir für Notfälle bereit. Eine sehr gute Idee, denn ich werde die Telefonkarte noch dringend benötigen.
Um 9:45 Uhr werde ich über den Flur zur Blutprobe in die Räume der Ärzte im Erdgeschoss gerufen. Es ist nur ein Katzensprung entfernt. Gut zu wissen, dass man im Krankheitsfall schnell versorgt ist. Der Redelsführer "Andi" aus meiner Zugangszelle 118 ist heute beim Hofgang mit dabei. Er sieht mich, wo ich aus dem Fenster des Revierbaues auf den Hof schaue. Gegen 11:45 Uhr bringt mir der Beamte für die Postausgabe ganze 7 Briefe von meinen Freunden "Draußen". 25 Briefmarken stehen mir nun für die Antworten zur Verfügung. Fleißig beginne ich damit, meine Briefe zu schreiben. Das Schreiben von Briefen und meines Tagesbuches wird über die Wochen und Monate einen großen Teil meiner Zeit am Tag ausfüllen. Mein Knastaufenthalt dient schließlich auch der journalistischen Recherche. Dem Verwaltungs-Schänzer gebe ich alle meine Anträge auf Besuche mit. Vor dem Haftantritt hatte ich bereits mit 10 Freunden Besuche vereinbart. Die Besuchsanträge müssen Name, Anschrift und Geburtsdatum enthalten. Alle Anträge werden im Laufe der Zeit genehmigt werden. Die genehmigten Besucher müssen dann bei der JVA beim Besuchsdienst anrufen und einen Besuchstermin vereinbaren. Über diesen Termin erhalte ich dann eine schriftliche Bestätigung ausgehändigt. Jeder Gefangene kann im Monat zwei Besuchstermine von zwei Stunden erhalten. Er darf Lebensmittel im Wert von 12,00 Euro am Automaten der JVA Kislau kaufen. Von "Draußen" darf also nichts mitgebracht werden. Pakete sind nicht erlaubt.
Am Nachmittag treffe ich den Revier-Schänzer "Manu" auf dem Flur. Im Gespräch verdeutlicht er mir seine Ansichten über den Knastalltag: "Wir sind hier nicht in einer Jugendherberge". Vermutlich hat er sich als Retourkutsche wegen seiner Nicht-Teilnahme am gestrigen Festmahl bei den Beamten beschwert. Bei anderen Gelegenheit wird er dies nochmals tun. Auf gut Deutsch würde man sagen: "Er ist ein kleiner Schleimer und pätzt gerne". Um 18 Uhr verkündet die Beamtin Frau W. aus dem Revierbau eine neue Anordnung, dass die Zellentür 301 nun um 19 Uhr geschlossen werden soll. Bisher war diese Zellentür die ganze Nacht geöffnet. Grund dieser Anordnung war auch, dass ich mich noch im Zugang befinde und im Zugang sind die Zellentüren halt geschlossen. Roland veranstaltet daraufhin einen kleinen Aufstand, denn ER wäre dadurch erheblich benachteiligt, weil er bereits Vollzugslockerungen hat. Man kann es auch so ausdrücken, dass Roland durch meine Anwesenheit abgestraft werden würde. Der Aufstand von Roland hat jedoch Erfolg. Es bleibt alles wie es ist. Auch deshalb kann man durchaus davon sprechen, dass ich Previlegien habe, die die anderen Gefangenen im Zugang Schlossbau nicht haben. Insgesamt werden mir Previlegien zugestanden, die niemand der anderen Gefangenen haben wird. Bis ca. 23 Uhr kann uns Beiden der Verwaltungs-Schänzer Messel also wieder auf der Zelle 301 besuchen. Messel war zwei Monate im Zugang gewesen. Er hatte dabei für andere Gefangene die Anträge formuliert und geschrieben. Das war den Beamten aufgefallen und wohl deshalb hatte er als "Entschädigung" für die überlange Zugangszeit den Posten des Verwaltungs-Schänzers erhalten. Ein Schänzer genießt das besondere Vertrauen der Beamten. Er muss auch mit allen Gefangenen gut auskommen. Deshalb genießen auch Schänzer Privilegien, die andere Gefangene nicht haben. Ein Verwaltungs-Schänzer verrichtet seine Arbeit bei den Beamten im Verwaltungsgebäude. Dabei kann er an Informationen gelangen, die sonst niemand kennt. Ich sitze also direkt an der Quelle. Was besseres kann mir nicht passieren. Nur auf den Revier-Schänzer "Manu" müssen Roland und ich aufpassen. Aber ein böses Wort wie im Schlossbau-Zugang wird von "Manu" nicht über die Lippen kommen. Respekt gegenüber anderen Mitgefangenen werden auch meine Unterhaltungen mit Ihm bestimmen. Die Auswahl, Manu zum Revier-Schänzer zu machen, war sicherlich die richtige Wahl. Leider war "Manu" unnahbar zurückhaltend und eine menschliche Wärme hat er nicht zugelassen. Er wollte etwas Besonderes sein, denn schließlich war ER Schänzer und kein gewöhnlicher Gefangener. An unseren Gesprächen & Diskussionen in Zelle 301 hat er während der gesamten Zeit nicht teilgenommen. Er blieb lieber alleine auf der Schänzer-Zelle. Nun gut, jedem das Seine...
Tagebuch einer Gefangenschaft: 6. Tag, Montag, den 23. Mai 2016, in der JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - im angeblich "offenen Vollzug"
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