Gieseking: Nach Ihren Büchern „Die Sache mit Peter“ und „Das Erwachen der Unschuld“ ist nun Ihr 3. Werk „Bonustrack“ erschienen. Die ersten 10 Kurzgeschichten in diesem Buch erscheinen dem Leser gegenüber der autobiografischen Fortsetzung Ihres Erstlingswerkes vergleichsweise unspektakulär. Beruhen diese Geschichten auf wahre Begebenheiten oder sind diese ihrer literarischen Fantasie entsprungen?
Max Meier-Jobst: Alles was ich schreibe beruht sowohl auf eigenen Erfahrungen und tatsächlichen Erlebnissen als auch auf völlig frei erfundenen Dingen. Logischerweise tragen „Die Sache mit Peter“ und „Bonustrack“ deutlich stärkere autobiografische Züge als etwa die Geschichten mit heterosexuellen Jungs als Protagonisten, deren Erfahrungen ich nur aus zweiter Hand kenne. Das genaue Mischverhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion variiert von Fall zu Fall und bleibt mein Geheimrezept, das nicht verraten wird... Nur so viel als Beispiel: Ich habe in meinem Leben schon Angehörige der unterschiedlichsten sexuellen und anderer Minderheiten kennengelernt, die mich zu den meisten meiner Figuren inspiriert haben, aber einen Objektophilen, wie ich ihn in der Kurzgeschichte „Junimond“ beschreibe, kenne ich bis jetzt leider nur aus der Literatur und dem Netz. Falls also jemand von meinen Lesern wirklich diese Neigung hat und davon berichten mag, möge er sich gern mal bei mir melden! (lacht)
Gieseking: In der autobiografischen 11. Kurzgeschichte „Bonustrack – Die Sache mit Peter“ erzählen Sie von einer Vergewaltigung im Jugendalter und von Drogenproblemen. Es ist mehr als erstaunlich, wie Sie diese Zeitpanne überstanden haben. Was würden Sie anderen Betroffenen raten, sich aus solch schwierigen Lebenssituationen zu befreien?
Max Meier-Jobst: Zunächst muss ich noch einmal klarstellen, dass auch „Bonustrack“ keine Autobiografie, sondern eine autobiografisch inspirierte Geschichte ist. Das hat zwei Gründe: Zum einen dramaturgische und künstlerische – mit Fiktion schafft man einfach besser Spannung, Verdichtung, Kohärenz als mit all dem Wirrwarr der sich teilweise widersprechenden, nackten Fakten – und zum anderen etwas noch viel Wichtigeres: Selbstschutz. Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass ich die Intim- und Privatsphäre von meinem Mann und mir weiterhin schützen will und deshalb nicht nur ein Pseudonym verwende, sondern noch zahlreiche weitere Dinge verfremde und erfinde, damit am Ende nicht tatsächlich noch jemand uns oder gar sich selbst in den Büchern wiedererkennt. Genau mit dieser leider nicht ganz unbegründeten Angst spielt ja auch die Meta-Ebene im „Bonustrack“…
Auch wenn also zum Glück nicht alles in meinem Leben so dramatisch zugespitzt verlaufen ist wie in meinen Geschichten, hilft mir die Fiktionalisierung, eine Distanz zum Erlebten zu schaffen, es aus einer anderen Perspektive zu betrachten und damit auch besser zu verarbeiten. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ratschläge mag ich diesbezüglich dennoch lieber keine erteilen, denn jeder Mensch geht unterschiedlich mit Traumata (und den darauf oftmals folgenden Suchterfahrungen) um und für andere Betroffene wäre eine solche künstlerische Überhöhung oder meinetwegen auch literarische „Verwurstung“ vielleicht sogar schädlich. Was ich zu diesem Thema in „Bonustrack“ geschrieben habe, stimmt aber wirklich: Mir zumindest hat es gut getan, in meinen Büchern den berühmten roten Faden zu zeichnen, der im wahren Leben oftmals einfach nicht zu erkennen ist.
Gieseking: In einer pädophilen Beziehung bezeichnet man den Mann als Boylover und den Jungen als Boyfriend. In ihrer Beziehung mit Peter sind sie weit über die sonst übliche Altersgrenze gemeinsam hinaus gewachsen. Halten Sie ein partnerschaftliches Lebensmodell zwischen einem homosexuellen Mann & einem Boylover auch bei anderen Betroffenen für machbar und erstrebenswert – und wenn ja, warum?
Max Meier-Jobst: Das ist eine sehr gute Frage. Auf der einen Seite hätte ich meinen Protagonisten die Figur des Peter nicht heiraten lassen, wenn ich eine Verbindung wie diese nicht für absolut machbar hielte. Und für genauso erstrebenswert wie prinzipiell jede Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich lieben. Aber auf der anderen Seite vertrete ich nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen, zwiespältigen Erfahrung mit meiner aus heutiger Sicht zu frühen Verführung die Ansicht, dass Pädophile nur dann verantwortungsvoll handeln, wenn sie sexuell enthaltsam leben.
Hätte Peter allerdings genau das von Anfang an geschafft, dann wäre er meinem Alter Ego nie so nah gekommen, hätten der Junge und er nie zueinander gefunden, hätte er sich in der Folge wahrscheinlich auch nie aus den Fesseln seiner Neigung befreien können, hinein in den emotional wie sozial sicheren Hafen einer auf Dauer angelegten und vor allem gleichberechtigten Erwachsenenbeziehung.
Gerade also erzähle ich Ihnen noch davon, wie sehr ich mich bemüht habe, eine runde, sich nicht widersprechende Geschichte zu schreiben, und nun zwingen Sie mich mit dieser Frage doch noch, den blinden Fleck in meiner Arbeit und das Paradoxon meiner literarischen Parabel zu enttarnen... (lacht)
Gieseking: In der 11. Geschichte ihres neuen Buches „Bonustrack“ liest man die autobiografische Fortsetzung von „Die Sache mit Peter“. Sie erzählen von einer Hausdurchsuchung bei Ihnen und von der Festnahme Ihres jetzigen Ehemannes „Peter“. Wo liegen die Gründe und wie konnte es dazu kommen?
Max Meier-Jobst: Ich habe das ganz absichtlich im Dunkeln gelassen. Bei allen Lobliedern auf die Vorzüge konventioneller Erwachsenenbeziehungen gegenüber per se problematischen Boylover-Boyfriend-Verbindungen – auch in der Ehe lauern selbstverständlich Abgründe. Was hat Peter seinem Mann aus der Vergangenheit verheimlicht, was treibt er heute noch im Keller, besiegt der Trieb die Vernunft, ist die Lust manchmal doch größer als die Liebe?
Das sind Fragen wie sie sich vermutlich die meisten Menschen in festen Händen irgendwann mal stellen: Betrügt er mich, chattet sie mit anderen, schaut er sich heimlich Pornos an, was lief wirklich mit dem Ex? Doch wenn der eigene Partner pädosexuelle Präferenzen hat, also sexuell (auch) auf ein kindliches Körperschema ansprechbar ist, dann werden aus solchen ganz normalen Ehekrisen, kleinen Geheimnissen und trivialen Eifersüchteleien schnell existenzbedrohende Dramen, kann jeder scheinbar noch so harmlose, rein verbale oder virtuelle Fehltritt justiziabel sein und die Polizei ins Wohnzimmer führen.
Die dramaturgische Zuspitzung mit Hausdurchsuchung und Festnahme in „Bonustrack“ soll anschaulich machen, welch großes Opfer ein pädophil veranlagter Mensch bringen muss. Nicht nur, um keine Opfer zu produzieren, sondern auch, um nicht selbst zum Opfer zu werden. Es bleibt ihm aus meiner Sicht keine andere Wahl als der entbehrliche, steinige Weg vollständiger Abstinenz, der Verzicht auf jedes explizit sexuelle Abenteuer, im echten Leben genauso wie im Internet. Eine traurige, aber bei konsequenter Umsetzung durchaus auch befreiende Erkenntnis.
Gieseking: Das wohl größte Internetportal für Homosexuelle hat über das Buch bereits berichtet. Trifft es zu – wie Queer.de schreibt https://www.queer.de/detail.php?article_id=32426 - , dass es Anfragen wegen einer Verfilmung gegeben hat?
Max Meier-Jobst: Ja, es gibt eine ernstzunehmende Anfrage eines jungen, ambitionierten Filmschaffenden, doch das Projekt befindet sich noch ganz am Anfang und es ist noch unklar, ob etwa die Finanzierung überhaupt zustande kommt. Ich freue mich dennoch sehr über das Interesse und bin guter Dinge, dass es klappen könnte mit der Verfilmung von „Die Sache mit Peter“, auch wenn es sicherlich noch ein wenig dauern wird, bis es Konkretes zu berichten gibt. Ich halte Sie gern auf dem Laufenden.
Gieseking: Die Sache mit Ihrem Ehemann "Peter" ist noch nicht abgeschlossen. Wird es nach Abschluss dieses Verfahrens ein 4. Buch dazu geben?
Max Meier-Jobst: Auch hier bin mir unsicher. Obwohl „Bonustrack“ wie schon „Die Sache mit Peter“ ein offenes Ende hat, wüsste ich zurzeit nicht, was ich dem noch hinzufügen könnte. Ich glaube, ich werde das erst einmal sacken lassen. Das vierte Buch von Max Meier-Jobst wird wohl – wie bereits das zweite – ohne Peter auskommen müssen, da habe ich durchaus schon Ideen und werde Sie und meine Leser natürlich wieder informieren, wenn eine neue Veröffentlichung ansteht. Vielleicht finde ich danach ja die Muße, eine weitere Fortsetzung zu schreiben, denn auserzählt ist eine solche autobiografisch inspirierte Geschichte vermutlich nie. Das Leben geht schließlich weiter...
Gieseking: Ich danke für das Interview.
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