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Text - Berufung: Plädoyer Verteidiger Ra Graßmann |
Plädoyer Verteidiger Ra Graßmann München bei der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe/Pforzheim am 5. Dezember 2012
Dem Angeklagten wird hier eine positive Sozialprognose abgesprochen, weil er „unbelehrbar“ sei und einschlägig vorbestraft.
Nicht berücksichtigt wird hier, dass sich der Angeklagte schon fast vier Jahre nach Beginn der Ermittlungen straffrei geführt hat, eine „übliche“ Bewährungszeit von drei Jahren schon durchgestanden ist. Dass der Angeklagte auch einschlägig vorbestraft ist, ist richtig, jedoch wurde er zuletzt vor 6 Jahren zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe fand vor nunmehr 14 Jahren statt. Hätte der Angeklagte die Freiheitsstrafe nicht voll verbüßt, wären die Voreintragungen im übrigen bereits gelöscht und der Angeklagte gälte als nicht vorbestraft. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte sich seit der Durchsuchungsaktion weiter mit der Verbreitung von jugendgefährdendem Material beschäftigt hätte; seinen Angaben zufolge betreibt er keinerlei Versandtätigkeiten.
Vorwurf des Vorrätighaltens jugendgefährdender Schriften zum Verkauf (Punkt 2 f bis k)
Nach Auffassung der Verteidigung kann dahinstehen bleiben, ob die genannten Medien jugendgefährdend sind.
Jedenfalls kann dem Angeklagten ein Vorrätig halten der Medien zum Verkauf nicht nachgewiesen werden. Von den jeweiligen Medien wurden im Besitz des Angeklagten jeweils ein Exemplar (mit Ausnahme von 2 J, dort 3 DVDs) vorgefunden. Bereits dadurch erscheint der Begriff des „Vorrätig haltens“ nicht erfüllt. Dazu hätte es noch des Kopierens der Medien bedurft. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme bezüglich der angeklagten Medien gerade nicht ergeben, dass der Angeklagte diese an Dritte weitergegeben hat oder dies auch nur beabsichtigte.
Zwar hat die Zeugin Schindler angegeben, die Wohnung des Angeklagten sei ihr „wie ein Lager“ vorgekommen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sämtliche Gegenstände in diesem „Lager“ zum Versand bestimmt gewesen sein sollen. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er im Rahmen seiner– unbestreitbaren – Aktivitäten im Kampf gegen – wie er es sieht – ungerechtfertigten Unterdrückung pädophil veranlagter Menschen umfangreiche Unterlagen und Dokumentationen benötigt sowie eine umfangreiche Video- und DVD-Sammlung auch für eigene Zwecke besitzt. Der Besitz von jugendgefährdenden Medien für eigene Zwecke ist jedoch nicht strafbar.
Ebenso wenig hat die Beweisaufnahme ergeben, dass – sollte ein Versandhandel beabsichtigt gewesen sein- der Angeklagte nicht sichergestellt habe, dass keine Überlassung an Kinder oder Jugendliche erfolge.
Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass ihm sämtliche Korrespondenzpartner persönlich bekannt seien und dass er nicht mit Minderjährigen korrespondiert. Auch dies ist ihm nicht zu widerlegen.
Vorwurf des Besitzes Kinder- bzw. Jugendpornographischer Schriften (2 a bis e)
Der Angeklagte hat keine Kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften besessen.
Hinsichtlich der in Augenschein genommenen CDs 2 d (FKK-Bilder von Jungs) sowie 2 e (Archiv-Sicherung) ist festzustellen, dass die Inhalte der CDs pornographisch sind. Bei einigen der dargestellten Personen mag zweifelhaft sein, ob diese unter 18 Jahre alt sind, bei anderen Personen ist dies unzweifelhaft der Fall. Der objektive Tatbestand des Besitzes von jugendpornographischen Schriften ist damit erfüllt, wenn man davon ausgeht, dass diese Datenträger tatsächlich identisch sind mit denen, die bei ihm gefunden wurden und nicht, wie der Angeklagte mutmaßt, irrtümlich in seine Akte gelangt sind.
Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass ihm nicht bewusst war, dass er diese Datenträger in seinem Besitz hatte. Die Zeugin Schindler hat ausgesagt, dass die Datenträger auf dem Schreibtisch des Angeklagten liegend gefunden wurden. Dies muss umso mehr verwundern, als der Angeklagte fest mit einer Durchsuchung seiner Wohnung rechnete, weil wenige Tage zuvor bereits ein Durchsuchungsversuch unternommen worden war. Wäre dem Angeklagten bewusst gewesen, dass sich auf den Datenträgern illegales Material befindet, hätte er diese jederzeit vor Eintreffen der Beamten vernichten können. Dass er dies nicht getan hat, spricht dafür, dass seine Einlassung der Wahrheit entspricht. Dafür spricht auch, dass auf beiden Datenträgern und insbesondere auf 2 d die pornographischen Bilder in ein unverdächtiges Umfeld einkopiert sind und bei flüchtigem Ansehen übersehen werden können. Für die Angaben des Angeklagten spricht letztlich auch, dass auf seinem Rechner keine Spuren des Ansehens der Datenträger gefunden wurden, etwa Cache-Dateien. Dies spricht dagegen, dass sich der Angeklagte die Datenträger selbst angesehen und damit von deren Inhalt Kenntnis genommen hat.
Bei dem Datenträger 2 c handelt es sich um Foto-Shootings von teils bekleideten, teils unbekleideten Jungen. Das Abbilden unbekleideter Personen stellt per se keine Pornographie dar, wenn auch der künstlerische Gehalt der Bilder zweifelhaft sein muss. Sexuelle Handlungen beinhalten die Fotos nicht. Hier kann man allenfalls darüber diskutieren, ob die Bilder eventuell jugendgefährdend sind. Ein Vorrätig halten zum Versand ist dem Angeklagten aber ebenfalls nicht nachzuweisen.
Auch der Datenträger 2 b kann nicht als pornographisch gewertet werden. Auf ihm ist zu sehen, wie unbekleidete männliche Kinder miteinander Karten spielen. Dabei sind die Geschlechtsteile der Jungen deutlich zu sehen. Sexuelle Handlungen sind jedoch auf diesen Filmsequenzen nicht enthalten. Auch die in der Anklage und im erstinstanzlichen Urteil erwähnten „Zurufe“ bzw. Regieanweisungen, nach denen die Kinder bzw. Jugendlichen angeblich ihre Geschlechtsteile in die Kamera halten, sind nicht zu hören. Auch hier ist allenfalls an ein jugendgefährdendes Trägermedium zu denken, für dessen Strafbarkeit auch wieder das Oben genannte gilt. Hier erscheint zudem die Unterscheidung Pornographie einerseits und lediglich Jugendgefährdung andererseits z. b. auf der DVD „Söhne der Korsaren“ als willkürlich.
Schließlich ist auch der Datenträger 2 a nicht pornographisch.
Unstreitig sind auf der DVD „Puberty“ Geschlechtsteile von Kindern zu sehen. Völlig unstreitig ist aber auch, dass es sich bei diesem Film um einen Aufklärungsfilm, offenbar um eine Fernsehproduktion handelt, in dem die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, bis hin zum Erwachsenenalter, beschrieben wird. . Der Film ist heute noch völlig offiziell erhältlich; er ist in der „International Movie Database“ gelistet; eine belgische Website, die sich mit der Sexualaufkärung befasst, ähnlich wie die „Dr.-Sommer-Seiten“ der Bravo, hat diesen Film gelistet.
Bei dem Begriff Pornographie handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der tatrichterlichen Auslegung unterliegt. Nach der Rechtsprechung des BGH und der OLGs liegt demnach Pornographie vor, wenn eine Darstellung unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes abzielt. Pornographie ist letztlich gegeben, wenn der Mensch im Rahmen der Darstellung zum bloßen auswechselbaren Objekt sexueller Begierde degradiert wird. Die Darstellungsweise muss typischerweise vergröbernd, aufdringlich, übersteigert, anreißerisch oder plump vordergründig sein. Insofern ist eine Würdigung der jeweiligen Darstellung in ihrem Gesamtzusammenhang erforderlich.
Obwohl in diesem Film Geschlechtsteile zu sehen sind, dient deren Darstellung nicht dazu, sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund zu stellen. Der Film ist ein Aufklärungsfilm; die Darstellung der kindlichen Geschlechtsteile dient – ebenso wie die gezeigten Schautafeln - der Anschaulichmachung körperlicher Vorgänge und insbesondere der körperlichen Entwicklung im Verlauf der Pubertät. Sie sind eingebettet in den Aufklärungsfilm. Zielgruppe sind nicht Pädophile, sondern Kinder und Jugendliche. Insbesondere dient der Rahmen als Aufklärungsfilm nicht lediglich als Vorwand für die Zurschaustellung anreißerischer sexueller Vorgänge.
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sachlichen Darstellungen sexuellen Handelns im sozialen Kontakt und ohne objekthafte Isolierung der pornographische Charakter fehlt.
Der Film ist daher nicht pornographisch. Er wird es auch nicht dadurch, dass er von einzelnen Personen möglicherweise nicht seiner Intention entsprechend verwendet wird.
Verlinkung
Schließlich und endlich hat sich der Angeklagte mit der Verlinkung auf das Weblog „schutzalter.twoday.net“ nicht wegen Verbreitung pornographischer Schriften strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat sich etwa zum Verlinkungszeitpunkt vorhandene pornographische Inhalte der „dänischen Sperrliste“ nicht zu Eigen gemacht. Der Angeklagte betreibt eine Website, mit der er sich unter anderem mit der Problematik der Pädosexualität befasst. Im Rahmen der politischen Diskussion der Jahre 2008 und 2009 war seitens der Bundesregierung das Ansinnen aufgekommen, Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten zu sperren. Diese Sperrung sollte durch die Polizeibehörden in Abstimmung mit den Webhostern vorgenommen werden. Eine irgendwie geartete Beteiligung oder auch nur Benachrichtigung von Betreibern einzelner Seiten war nicht vorgesehen. Als Vorbild nahm man sich Sperrlisten, wie sie in anderen Ländern bereits existierten.
Über dieses Vorhaben entbrannte alsbald eine heftige politische Diskussion. Im Rahmen dieser Diskussion wurde unter anderem vorgebracht, dass diese Sperrlisten leicht zu umgehen seien, beispielsweise durch einen „Proxy“ und vor allem, dass die Sperrlisten in ihrer überwiegenden Mehrzahl Webseiten treffen, die keinerlei illegalen Inhalt haben. Dies haben die Befürworter dieser Sperrlisten immer bestritten. Aus diesem Grund wurde durch die Betreiber der „wikileaks“-Plattform unter anderem die Sperrliste des Landes Dänemark ins Internet gestellt.
Die Diskussion in dem Weblog „schutzalter.twoday.net“ befasst sich – teilweise sicherlich in polemischem Ton, aber ganz offensichtlich ernsthaft – mit dem Sinn bzw. Unsinn derartiger Listen. Durch die einzelnen Teilnehmer wurden mitunter umfängliche auch kontroverse Diskussionsbeiträge verfasst, wie bei der Augenscheinnahme des Blogs zu sehen war. Keineswegs dient diese Diskussion darum, eine günstige Gelegenheit zu finden, auf Kinderpornographieseiten zu verweisen. Der Link des Angeklagten verweist ausdrücklich auf diese Diskussion.
Die Zeugin Schindler hat in ihrer Vernehmung bekundet, sie habe etwa ein Drittel bis die Hälfte der Links auf der wikileaks-Seite angeklickt.
Das Ergebnis der Ermittlungsbemühungen war, dass die Zeugin fünf bis sieben Screenshots mit kinderpornographischem Inhalt anfertigen konnte. Nachdem es aber offenbar so ist, dass die bannerartigen Einblendungen auf den Websites teilweise dem Zufall unterliegen, kann schon nicht bewiesen werden, dass zum Zeitpunkt der Verlinkung überhaupt kinderpornographische Inhalte vorhanden waren. Zwar liegt der Schluss nahe, dass nach Sperrung einer Seite der Betreiber eine neue Seite mit dem gesperrten Inhalt anlegt. Das Löschen der vorhandenen Inhalte ist damit aber nicht notwendigerweise verbunden, weil die Seite ja von anderen Ländern (außer von Dänemark) aus immer noch zugänglich ist. Über die Anzahl der zum Verlinkungszeitpunkt vorhandenen kinderpornographischen Seiten kann schlichtweg nichts gesagt werden, außer dass diese zumindest im Verhältnis zur Gesamtzahl der Seiten verschwindend gering gewesen sein müssen. Rechnet man für das Anklicken jedes Links (mit warten, ob sich die Website öffnet oder ob nach längerem Warten eine Fehlermeldung erscheint) nur 20 Sekunden, müsste jemand, der die Links der Reihe nach anklickt, fast 22 Stunden mit dieser Tätigkeit verbringen. Und das nur, um 5 kinderpornographische Seiten zu finden, deren Inhalt der durchgeführten Beweisaufnahme zufolge auch noch teilweise identisch ist.
Bei einem derart krassen Missverhältnis zwischen vorhandenen Links und strafbaren Links kann man nicht davon sprechen, dass der Zugang zu diesen wenigen Seiten durch die Verlinkung auf den „twoday“-Blog vereinfacht würde, aber auch nicht, dass sich der Angeklagte den Inhalt der Links zu eigen gemacht hätte. Genauso gut könnte man sonst von einem Zueigenmachen sprechen, wenn jemand pauschal auf das Internet verweist: Irgendwo ist immer etwas verbotenes, zu dem in letzter Konsequenz auch ein Link führt.
Selbst wenn also von den 3863 verlinkten Seiten einige wenige kinderpornographische Inhalte vorhanden waren: Welche Inhalte soll sich der Angeklagte durch die Verlinkung zum Schutzalter-Blog zu Eigen gemacht haben? Der Angeklagte hat sich unwiderlegt eingelassen, dass er die Seiten nicht angeklickt habe, weil es ihm um die politische Diskussion auf dem Schutzalter-Blog gegangen sei. Auf seinem Rechner wurden keinerlei Spuren kinderpornographischer Inhalte gefunden, was den Schluss nahelegt, dass die Angaben des Angeklagten hierzu richtig sind.
Hätte sich der Angeklagte kinderpornographische Inhalte zu eigen machen und den Zugang hierzu erleichtern wollen, hätte er direkte Links angeben müssen und nicht einen etwa an derartigen Inhalten Interessierten mit 3863 Links alleinlassen müssen.
Der Angeklagter ist schon deswegen zu diesem Anklagepunkt freizusprechen. Darüber hinaus ist die Verlinkung weder Beihilfe noch Haupttat: Das durch den Vorsitzenden im letzten Termin zitierte BGH-Urteil passt auf diesen Fall nicht.
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