"In einer Welt von universeller Täuschung ist das Aussprechen von Wahrheit ein revolutionärer Akt" - GOERGE ORWELL
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Text - Gefangenenpost aus den USA (Cyrus G. 1)

In Cooperation Nambla/USA & K13online/D hatten wir zum Weihnachtsfest 2007 & 2008 & 2009 & 2010 & 2011 & 2012 & 2013 & 2014 & 2015 eine Gefangenen-Aktion an Boylover/Girllover in amerikanische Justizvollzugsanstalten gestartet. Wir veröffentlichen hier den 1. Brief von Cyrus G., der seinen bisherigen Namen aus Schutzgründen ändern musste.

 

Lieber Dieter,

Glückliche Ferien! Andreas teilte mir mit, dass Du versuchst, die typischen Gefängnisausdrücke zu vermeiden. In diesem Sinne wünsche auch ich Dir viel Glück. Ich lege eine Karte bei; ich hoffe sie gefällt Dir. Ich habe in der Tat nur eine einzig Sache zu berichten. Trotzdem, sie ist ein Nachrichtenereignis. 

Der Fall Karsjens v. Jesson tritt hier in den USA am Bundesgerichtshof [Federal Court] ist in eine neue Phase ein. Im letzten Juni hat der Richter Donavan Frank vom Landesgerichtshof [District Court] die Entscheidung gefällt, regelnd, dass die Sexualstraftätergesetzgebung des Staates Minnesota alle Inhaftierte dieser als „Subjekte in Anwendung“ unterwirft (so erlaubt durch die US-Verfassung) beides angesichts dieser Regelung und die im Moment gerade angewendet wird. Der Richter traf diesbezüglich sechs Festlegungen, wobei jedes dieser Parallelgesetze erhalten blieb. 

Die allgemeine Grundhaltung dieser richterlichen Entscheidung war, dass diese Gesetzgebung keine andere Alternative als Einsperren vorsieht. Also erfordert sie von einen Straftäter, bei dessen Prüfgespräch der Sicherheitsverwahrung, um seine Entlassung zu erwirken, einen weitaus höheren Standart zu beweisen, dass er nicht gefährlich ist, als es der Staatsanwalt benötigt, um zu zeigen, dass er gefährlich sei, um diesen zufrieden zu stellen. Dieser höhere Standard ist jedoch so ungenau und so hoch, dass bisher es noch Niemand schließlich nach der Überprüfung geschafft hat, aus der Sicherheitsverwahrung entlassen zu werden. Tatsächlich haben bis heute nur 3 von mehr als 720 Geprüften, die unter das MSOP (Minnesota Sexualstraftäter Programm) fallen, jemals eine „vorläufige“ Entlassung unter diesem Standard erreicht, und niemand ohne MSPO Vereinbarung. 

Aufgrund dieses Scheiterns bei der Entlassung sind hier Viele seit über 20 Jahren eingesperrt, und weit Viele mehr, seit über 15-20 Jahre. Diese Größe erklärt, warum etwa ein Viertel der im Moment Gefangenen (nicht mitgezählt die 50, die eingesperrt hier verstorben sind) über 60 Jahre alt sind. Viele Andere (darunter ich selbst) stehen unter Sicherheitsverwahrung bis über 60 Jahre hinaus. Es ist traurig zu sagen, dass das Alter der Gefangenen hier bis an 93 Jahre reicht. 

Andererseits waren etwa 50% der vom MSOP - Betroffenen minderjährig, als sie ihre Sexualstraftat(en) begingen. Ein paar von ihnen waren zu dieser Zeit noch vorpubertär, und sie wurden für ihr Sexualverhalten erst in Jugendgefängnisse eingesperrt, bis sie das Alter von 18 Jahren erreicht hatten und wurden dann, als sie älter wurden, unter Sicherheitsverwahrung gestellt. Eine dieser tragischen Figuren, die unter die Sexualstraftätersicherheitsverwahrungsgesetzgebung von Minnesota unterworfen wurde - in diesen Tagen ein Freund von mir -  ist nun 50 Jahre alt.

Manch Andere hier wurden niemals einer Sexualstraftat überführt, und ein paar niemals dafür eingesperrt. Diese Individuen wurden nur unter Sicherheitsverwahrung gestellt, aufgrund einer Anzeige von irgend jemandem, dass ein Sexualverbrechen vor etlichen Jahren stattgefunden hätte. Typisch ist, dass trotz der Tatsache, dass die Ermittlungen der Polizei erbrachten, dass entweder die Beschuldigungen falsch waren oder, dass das angebliche Opfer niemals eine solche Beschuldigung machte, und in einigen Fällen sogar, dass niemals etwas geschah. (Dieses letzte Szenario betrifft jemanden, der Anzeige erstattet, der gehört hat, dass das angebliche Opfer eine solche Beschuldigung in einem persönlichen Gespräch oder einem zurückliegenden gemacht hätte.) 

Ich will nicht über die offensichtliche Empörung in dieser Situation orakeln. Es reicht aus zu sagen, dass das Regime der Sicherheitsverwahrungsgesetzgebung von Minnesota der Inbegriff der Falschheit per se ist, in Theorie und Praxis mit solcher Überwachung überall. Da es im Moment in keinem der 20 Staaten oder bei der Bundesregierung [der USA] Einschränkungen bei solchen Sicherheitsüberwachungsschemas gibt, kann jede Gesetzgebung so schlecht werden wie jene, die Minnesota hat. Wenn der Fall Karsjens am Ende definitiv verloren geht, werden wahrscheinlich, offen gesagt, sich wohl all die anderen Staaten [der USA] liebend gerne an das gleiche, korrupte und politisch krass gesteuerte Niveau anpassen. In Kürze: dieser ganze Missbrauch der Sicherheitsverwahrung, in jedem Staat, der sie hat, ist eine Schande und eine Gefahr für das amerikanische Recht. Durch solche harte und unfaire Gesetze wird das richtige Konzept einer Nation mit individueller Freiheit zerstört. Zu viele von uns hatten bereits die Einkerkerung zu durchleiden durch die bloße Kraft der Hysterie und hasserfüllte Maskerade anstatt eines legalen Prozesses. Das muss aufhören. 

Als im letzten Juni diese Entscheidung getroffen wurde, entschied Richter Frank nicht über irgendeine einzelne, befehlsmäßige Einlassung, die es zu verordnen galt. Beide, die Klasse der Kläger, jener durch die MSOP - Gesetzgebung Gefangenen und die der staatsangestellten Beklagten, erhielten, im Fall Karsjens, reichlich Gelegenheit, zu der vom Richter vorgeschlagenen Einlassung, zu referieren [und so] zu versuchen die Missstände im MSOP System der Sicherheitsverwahrung aufzuzeigen, kurzgesagt, insgesamt das MSOP - Programm niederzumachen. Kürzlich erließ der Richter Frank eine Übergangsverordnung, in der eine umgehende Begutachtung für die Wahrscheinlichkeit eines sexuellen Wiederübergriffes aller Personen, die unter die MSOP - Sicherheitsverwahrungsgesetzgebung fallen, angeordnet wurde. Diese Wiederbegutachtungen sind in Intervallen durchzuführen und müssen bis Ende 2017 fertiggestellt sein. Diese Begutachtungen müssen von unabhängigen Experten durchgeführt werden, die für diesen Zweck ausgewählt werden. Dies ist so der Tatsache geschuldet, dass in den 21 Jahren der Anwendung der MSOP Gesetzgebung, dies nie vorgekommen ist. Begutachtungen durch einen eigenen Psychologen gab es nur wenige und waren selten. Auffälligerweise haben diese Begutachtungen bei jeder begutachteten Person uniform erklärt, bei seiner Freilassung „höchstwahrscheinlich“ rückfällig zu werden und ein anderes Sexualverbrechen zu begehen (eingeschlossen selbst die in fortgeschrittenem hohen Alter). 

Die Rechtsanwälte der Beklagen in diesem Fall boten trotz allem keine Gegenvorschläge an, sie jammerten nur herum, dass die MSOP keine Mittel hätte, um solche Begutachtungen zu machen. Dies ignoriert die Tatsache, dass der Bundesrichter, in Anbetracht seine Feststellung der Nichtverfassungsmäßigkeit und seiner Anordnung die Begutachtung durchzusetzen, den Staat Minnesota dazu verurteilen kann, für diese Maßnahme zu bezahlen. Wenn diese unabhängigen Begutachtungen nicht durchgeführt werden, dann muss die MSOP ausgesetzt werden, und alle wir Inhaftierten müssen umgehend freigelassen werden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Ergebnis letztendlich auch zutreffen wird.

Zwischenzeitlich hat das Rechtsteam der Beklagten beim Obersten Bundesverfassungsgerichtshof [Federal Eighth Circuit Court of Appeals ] [der USA] einen Antrag eingereicht und diesen Appellationsgerichtshof angefragt, für die Zeit des Appells die Begutachtungsverpflichtung des Richters Frank auszusetzen. Diese scheinen in einem erstaunlich übersteigertem Selbstvertrauen zu handeln. Bei einem Parallelfall in Missouri (betrifft also die selbe Appellationsebene) wurde entschieden, dass das Sicherheitsverwahrungssystem von Missouri nicht verfassungskonform sei, aus fast denselben Gründen, aber aus Gründen, die weniger extrem sind wie jene beim [Fall] Karsjens. Zwischenzeitlich ist in Florida ein Sicherheitsverwahrungssystem mit Nicht-Sexualstraftätern zusammengebrochen, wegen ähnlichen Problemen der Überdehnung von Sicherheitsverwahrungsgründen und der fast Unmöglichkeit von Entlassung. Diesbezügliche Gesetzfachartikel von Hochschulen aus dem ganzen Land haben kürzlich in breiten Konsens festgestellt, dass die Sicherheitsverwahrung von Sexualstraftätern ein Ansatz ist, der inhärent nicht verfassungskonform ist und deshalb aufzugeben sei. Einer dieser Artikel wurde sogar von einem ehemaligen Direktor verfasst, der für die Durchführung des Sicherheitsverwahrungsprogramms für Sexualstraftäter in Florida zuständig war. 

Zur gleichen Zeit hat eine große konsistente Gruppe von Psychologen und Psychiatern der Hochschulen Erkenntnis nach Erkenntnis veröffentlicht über das totale Unwissen der Wissenschaft zur Unterstützung solcher Sicherheitsverwahrung. Trotz solcher Fall-zu-Fall Annahmen von „hoher Wahrscheinlichkeit von Rückfälligkeit“, haben diese Experten festgestellt, dass die wahren Raten der Rückfälligkeit, gerade bei jenen, mit umfangreicher, frühzeitiger Kriminalaufzeichnung von Sexualstraftaten, noch nicht einmal auf 50% kamen (tatsächlich, dabei immer nur die Einzelanzahl der Prozentwerte an Wahrscheinlichkeit schätzend). Wie oben schon beschrieben, diejenigen welche schon etwas älter sind als der Durchschnitt haben noch geringere Quoten der Rückfälligkeit – überwiegend wurde festgestellt, dass sie einfach 0% ist. 

Letztendlich haben diese Wissenschaftler das große Kernstück des Mythos zerstört, das vorgebracht wurde um die Sicherheitsverwahrung zu rechtfertigen: die Annahme, dass Pädophile inhärent unter schweren Impulsen leiden um Sexualstraftaten zu begehen, weswegen sie damit reagieren eine junge sie anziehende Person zu treffen, mit einer Sexualstraftat in der Folge (genauer: ein fremder Sexualanfall. Alle von uns haben jedoch immer gewusst, dass dieser Mythos komplett entgegengesetzt zu den Fakten ist, doch es ist nun erfreulich, vollendete Wissenschaftsexperten uns darin in aller Öffentlichkeit zustimmen zu sehen. 

Das Geräusch der fallenden riesigen Dominosteine und den unter den Sperrfeuer der Wahrheit zerbröckelnden Mauern ist ohrenbetäubend. 

Kurzum, im Lichte der Erosion all dieser falschen Behauptungen, benutzt, um die Raserei gegen uns über Jahre lang hinweg aufzupeitschen, würde es nun für die Karsjens Beklagten als einen weiseren Schritt erscheinen, einfach ihre Wunden zu lecken und sich nach Hause schleichen. Mögen sie letztendlich ihre aktuelle alles oder nichts Strategie bedauern. 

Die Fakten im Fall Karsjens sind einseitig und überzogen. Daher würde die Berufungsumkehr durch Richter Frank, egal seiner lauwarmen Einlassungen oder seiner zugrunde gelegten Schlussfolgerung der nicht verfassungsgemäßen MSOP, sofort für alle als einfacher nackter Akt eines politischen und emotionalen Willens offensichtlich sein, mehr denn als ein logischer Richtspruch. Dies würde stark einwirken in die Frage der Fähigkeit und Bereitschaft der amerikanischen Justiz, ausgewogene und logische Urteile zu erreichen. Dieses Ergebnis würde weit größere Probleme für unsere Regierungsform stellen, als nur ein einfaches Regieren unter Zustimmung der Aufhebung des bestehenden System der Sicherheitsverwahrung. In jedem Fall wird jetzt Geschichte geschrieben. 

Ich lege [dem Brief] eine kurze Zusammenfassung von mir über diese aktuellste Entscheidung von Richter Frank bei ebenso wie zwei diesbezügliche Zeitungsartikel aus der Lokalpresse. 

Ich hoffe, Du bist bei guter Gesundheit und, dass alles gut läuft während dieser Ferienzeit. Achte auf Dich und in jedem Fall, schreibe mir, wenn immer Du es wünschst. Der Übersetzer von google scheint ausreichend genug zu arbeiten, sodass die Deutsch-Englische Sprachbarriere keine mehr zu sein scheint. 

In Solidarität

Cyrus G.

(USA, den 28. November 2015, hier eingetroffen am 8. Dezember 2015)

geschrieben am 21.12.2015
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Autor K13online
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