Tagebuch einer Gefangenschaft: Haftantritt am Mittwoch, den 18. Mai 2016, in die JVA Bruchsal - Außenstelle Kislau - in den angeblich "offenen Vollzug"
Vorbereitung & Anreise als Selbststeller
Ein Reisekoffer, eine Tasche und ein Rucksack sind für sechs Monate gepackt. Mit dem Zug fahre ich über Bruchsal zur JVA nach Kislau. Ich bin ein sogenannter Selbststeller, der auf Ladung der Staatsanwaltschaft zum Haftantritt erscheinen muss. Eine Selbststellung ist Voraussetzung für eine mögliche vorzeitige Entlassung nach 2/3 Strafe zum 17. September 2016. Endstrafe wäre der 17. November 2016. Mit meinen engen Freunden & Mitarbeitern habe ich bestmöglich alles während meiner Freiheitsstrafe organisiert. Zehn Gleichgesinnte wollen mich im Knast besuchen und über 15 wollen Briefe schreiben. Gefangene, die bis zu sechs Monaten ins Gefängnis müssen und Hartz-Empfänger sind, verlieren nicht Ihre Wohnung, weil die Miete vom Jobcenter/Sozialamt übernommen werden kann. Für die Festlegung des Strafmaßes im Urteil ist diese Zeitgrenze deshalb sehr wichtig! Nach meiner Wohnung & der Post schaut ebenfalls ein guter Freund vor Ort in Pforzheim. Ich bin optimistisch und zuversichtlich, dass alles während meiner "Zwangsabwesenheit" funktionieren wird. Vor den Toren der JVA Kislau schaue ich mich zunächst in Ruhe um. Rufe einige Freunde per Handy an und verabschiede mich. Der landwirtschaftliche Betrieb für die Gefangenen liegt außerhalb der Gefängnismauern. Ich unterhalte mich mit einigen Gefangenen, zu denen ich in wenigen Minuten auch gehören werde. Die Gefangenen können sich während der Arbeitszeit "draußen" frei bewegen - es soll schließlich ein "offener Vollzug" sein. Auf den 1. Blick erscheint mir meine kommende Gefangenschaft gar nicht mal so schlimm zu werden.
Herzlich Willkommen in der JVA Kislau
Um Punkt 13 Uhr betrete ich das Gefängnis der JVA in Kislau. Die Torpforte öffnet sich und wird für sechs Monate geschlossen bleiben. Bei der Eingangskontrolle lege ich meine Ladung vor und mein BPA wird geprüft. Ein JVA-Beamter macht einen Alkoholtest. Alles in Ordnung. "Herzlich Willkommen in der JVA Kislau", so läßt ein Beamter verlautbaren. "Spielen Sie Fußball", fragt er. "Natürlich ja", sage ich. Er findet bei meinen Sachen ein Buch: StVollG. Erstauen lese ich in seinem Gesicht. Der Beamte ergreift eine formelle Sprache: "Laut EU-Bestimmungen haben Sie einen Anspruch auf eine Einzelzelle, die wir in der JVA Kislau aber nicht haben. Er legt mir eine Erklärung vor, dass ich auf eine Einzelzelle verzichten kann. Ansonsten würde ich sofort in die Hauptanstalt nach Bruchsal transportiert werden". Ich bin ziemlich überrascht und fühle mich stark verunsichert. Denn ein offener Vollzug in Kislau dürfte sicherlich besser sein als ein geschlossener Vollzug in Bruchsal. Schaue fragend in die Runde, ob mir jemand einen guten Hinweis geben kann: Das Schweigen im Walde. Ich denke an den Bauernhof vor den Gefängnistoren und unterschreibe diese Erklärung. Diese Unterschrift wird mir schon am 1. Tag zum Verhängnis werden. In der JVA Kislau befinden sich nur Gemeinschaftszellen von überwiegend 8 oder 6 Gefangenen. Einzelzellen gibt es nicht. Ich äußere meine Zweifel, ob dies bei meiner Deliktsart und Bekanntheitsgrad problemlos ablaufen kann. Dann geht es weiter in die Kleiderkammer. Zwei nette JVA-Beamte & ein Häftling sortieren meine Wäsche und händigen mir die Anstaltskleidung aus. Auch erhalte ich meine ganze Privatkleidung mit auf meine zukünftige Zelle. Ein Beamter findet meine Visitenkarte von K13online und schaut verwundert drein. Wir unterhalten uns über meine frühere Zeit beim Bundesgrenzschutz. Mit zwei Körben bepackt bringt mich ein Beamter über den Hof zum Revierbau in die Krankenabteilung. Dort wartet schon eine Ärztin und führt eine Aufnahmeuntersuchung durch. Meinen schon vorab geschickten Brief mit meinen Gesundheitsunterlagen lag dort jedoch nicht vor. Ich bin mehr als verwundert.
Kurzaufenthalt mit Angriffen in Zugangszelle
Vom Revierbau geht es wieder über den Hof in den Schlossbau. Dort befindet sich im rechten Flügel eine Zugangszelle mit 7 Gefangenen, der 8 soll ich werden. Eine JVA-Beamtin öffnet die Zelle, läßt mich rein und verschließt sofort die Zellentür. Die Zelle ist total versaut und dreckig. Ich schaue in die Runde zu den schon anwesenden Gefangenen. Mir wird ein freier Platz in einem 2 Etagen-Bett oben zugewiesen. Unten liegt ein Gefangener und schläft. Ich fange an meine Körbe mit meiner Habe auszupacken und das Bett zu beziehen. Sofort wird die Frage gestellt: "Warum bist Du hier?" - Wo ist Dein Haftzettel, worauf in der Regel die Deliksart vermerkt ist. Diesen Haftzettel habe ich aber noch nicht erhalten. Ich erzähle etwas von einem Link und versuche eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Prompt fällt das böse Wort "Kinderpornos" von einem Gefangenen. Jede weitere Unterhaltung mit den Gefangenen wird sinn- und zwecklos. Beleidigungen und Beschimpfungen schallen durch die ganze Zelle. Mir wird der Stempel "Kifi" aufgedrückt. Das laute Geschrei zwischen den Gefangenen und meiner Person wird von den Beamten bis ins Dienstzimmer gehört. Mehrere Beamte eilen herbei und holen mich aus der Zelle. Der Aufenthalt in dieser 1. Zugangszelle hat wohl nicht länger als 10 Minuten gedauert.
Verlegung in die Zugangszelle 118
Ich packe meine Habe zusammen und werde von der Beamtin in eine andere Zugangszelle im linken Flügel verlegt. Diese Zelleneinrichtigung ist genauso versaut. Die kleinen Schränke/Spinte sind aus kaputtem Holz und nicht verschließbar. Auch dort liegen bereits 7 Gefangene, die mir nach ein paar Worten als bildungsfremd bzw. asozial erscheinen. Zunächst werde ich jedoch positiv aufgenommen. Von den obigen Vorfällen hatten diese Zelleninsassen wohl nichts mitbekommen. Das sollte sich aber am nächsten Tag, Donnerstag, gewaltig ändern. Ich beziehe mein Bett oben - unten liegt ein Gefangener mit dem Namen "Andi", der sich alsbald als "Chef" und Redelsführer in dieser Zelle herausstellen wird. Er wird die Knasthierarchie in diesem rechtsfreien Raum einer Zugangszelle bestimmen. Von einem offenen Vollzug kann keine Rede mehr sein, denn die Zellenfenster haben Gitter. Neben der Zelle 118(Raucher) liegt auf dem gleichen Flur eine weitere Zelle für Nicht-Raucher, die nur mit vier Gefangenen belegt ist. Während der Aufschlusszeiten von 15 bis 19 Uhr können sich alle Gefangenen über den Flur frei bewegen. Lediglich die Tür in den Schlossflur ist geschlossen. Innerhalb dieser Räumlichkeiten hält sich kein JVA-Beamter während der Einschlusszeiten auf. Auf dem Flur befindet sich eine Notrufanlage, die für mich noch zum Lebensretter werden wird. Die Gefangenen sind unter sich und ganz sich selbst überlassen. Allgemeine Aggressionen bestimmen den Tagesablauf. Die Langeweile ist für alle Gefangenen unerträglich. Der TV läuft den ganzen Tag. Zu allem Unglück läuft im TV auch noch eine Hetzsendung zum Pädophilie-Thema. Um 18 Uhr bekomme ich meine Tabletten für die nächsten 9 Tage. Ein Gefangener aus der Nicht-Raucherzelle besucht mich und stellt sich als Reiner B. vor. Mit Ihm hatte über ein Forum im Internet schon vorher Kontakt gehabt. Die anderen Gefangenen spielen Karten - ich schreibe meine ersten Briefe an Freunde nach "Draußen" und schreibe in mein Tagebuch. Erfahre, dass jeder Gefangene mindestens 2 Wochen in einer Zugangszelle bleiben soll. Alle warten auf Ihre Zugangskonferenz. Der 1. Einkauf wird erst am 31. Mai stattfinden. Das bedeutet, dass bis dahin niemand mehr etwas auf der Zelle haben wird. Um 19 Uhr wird die Zelle bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr verschlossen. Um 24 Uhr geht automatisch das Licht aus. Von einem guten Schlaf kann jedoch keine Rede sein...
http://krumme13.org/text.php?id=1215&s=read
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