Süddeutsche Zeitung(SZ-Print- & Onlineausgabe) kritisiert Strafvollzug in Deutschland: Acht Häftlinge, acht Schicksale - SZ Serie über das Leben im Gefängnis | |||||
Gefangen in der Ohnmacht(Teil 1): Pädophiler Gefangene "Karl" überlebt Stress, Angst, Hass und Übergriffe in zwei Zugangszellen und einem Haftraum einer Justizvollzugsanstalt(JVA) in Baden-Württemberg Die Süddeutsche Zeitung(SZ) startet heute eine 8-teilige Artikelserie über den Strafvollzug in Deutschland. In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk(BR) ist vom freien Journalisten & Buchautor Alexander Krützfeldt in der Printausgabe der 1. Teil mit dem Titel "Geh duschen" erschienen. In den folgenden sieben Tagen erscheinen weitere sieben Artikel zu anderen Protagonisten & Themen. Der 1. Online-Artikel trägt den Titel "Gefangen in der Ohnmacht". Der pädophile Gefangene "Karl" erzählt von Stress, Angst, Hass und Übergriffen der Mitgefangenen in zwei Zugangszellen und einem Haftraum. Von "Willkommen in der JVA" und "können Sie Fußballspielen" kann schon zum Ende des ersten Tages keine Rede mehr sein. In Rekordzeit von nur 10 Minuten kommt "Karl" von der ersten Zugangszelle in die nächste Traufe der zweiten Zugangszelle. Die sogenannte Knasthierarchie in einer Gemeinschaftszelle mit sieben anderen Gefangenen kennt keine Gnade. Auch einige JVA-Beamte verweigern Ihm Hilfe und Schutz. Karl fühlt sich von der Anstalt im Stich gelassen. Karl fühlt Ohnmacht. Mit dieser Artikelserie in der SZ & BR wird eine neue Debatte über den Strafvollzug in Deutschland angestoßen. Der SZ-Journalist Heribert Prantl schreibt in seinem Kommentar: Der Titel einer Schrift über den Strafvollzug und seine Probleme aus dem Jahr 2005 heißt, nach dem Motto von Bert Brecht aus der Dreigroschenoper: "Die im Dunkeln sieht man nicht". Man sieht sie heute noch weniger als damals. Mit der jetzt einsetzenden medialen Aufmerksamkeit wird man sie lesen, hören und sehen. K13online wird sich an der Kritik am Strafvollzug und der Aufdeckung von Missständen aktiv beteiligen. Die Bundestagswahlen 2017 stehen vor der Tür. Die Besucher/Innen unserer Webseiten finden in der rechten Menüleiste drei Umfragen zur Wahl des nächsten Bundestages. Wir bitten ALLE um Ihre Vote.... http://gfx.sueddeutsche.de/apps/e280625/www/ +++ (SZ-Printausgabe) (SZ-Online Webseite) Quelle: http://gfx.sueddeutsche.de/apps/e171088/www Zitate .....Karl hat sich geschworen, wie es auch kommt, zuversichtlich zu bleiben. In seiner Abwesenheit würde sich alles regeln. Zehn Freunde haben versprochen zu kommen, der Rest will schreiben. Und diese Versprechen, das hat Karl allen noch mal gesagt, zählten jetzt doppelt. Sonst würde er da nämlich ganz allein sein. Das haben seine Freunde verstanden. Hofft er. Und irgendwann käme die Entlassung, und sein Leben, es würde da warten, verständnislos vielleicht, aber geduldig. Nicht alle hat er noch erreicht.....
.....„Warum bist du hier?“, fragt einer, als sich die Tür schließt, und blickt kaum vom Fernseher auf. Karl antwortet nicht. „Gib uns deinen Haftzettel“, sagt der Häftling. „Ich habe keinen“, sagt Karl und versucht, seine Sachen aufs Bett zu hieven. Einer stellt sich ihm in den Weg: „Warum nicht?“ Für einen Moment hat jemand die Pause-Taste gedrückt. Wie lange, denkt Karl, darf Stille dauern, bis sie verräterisch wird? „Was ist?“, fragt der Häftling. „Bist du taub? Oder ein Kinderficker?“ „Nein“, sagt Karl. „Es ging nur um Bilder, einen Link und eine Website.“ Im Dienstzimmer hören die Beamten Schreie. Sie eilen heran. „Hier ist ein Kifi“, ruft einer der Häftlinge in den Flur. „Kinderficker!“ Die Beamten zerren Karl heraus, noch bevor etwas passieren kann. Mein Aufenthalt in der Zugangszelle hat keine zehn Minuten gedauert, denkt Karl, von Armen umfasst, vermutlich eine Art Rekord....
.....Karl schafft seine Sachen aufs Bett, nachdem er festgestellt hat, dass sich die Schränke nicht abschließen lassen. Karl, der überzeugt davon ist, dass es Liebe und Sex zwischen Erwachsenen und Kindern gibt, und dass dieser einvernehmlich geschehen kann, führt ein Tagebuch. Viel zu brisant für einen offenen Schrank. Der Fernseher läuft den ganzen Tag bis spät in die Nacht. Um 19 Uhr wird die Zelle verschlossen, am nächsten Morgen um 6 Uhr wieder geöffnet. Der rote Knopf ist auf dem Flur. Vor der Tür. Um 24 Uhr gehen automatisch alle Lichter aus. Karl spürt sein Tagebuch unter dem Kopfkissen, legt seine Hand darauf und schläft irgendwann ein. Was für ein Tag...
....Fünf Wochen bleibt Karl im sogenannten Revierbau, wie die Krankenstation genannt wird. Dann wird er plötzlich zurück in eine reguläre Zelle verlegt. Seinen Platz müsse er räumen, sagen die Beamten, für jemanden, „der wirklich krank ist“. Karl sitzt auf seiner Matratze. Er hat sie in den Flur gezogen, um neben dem Notknopf zu bleiben, zur Not würde er auch hier schlafen. In seiner Zelle wird er getreten, gemobbt und bedroht. Er blickt auf den Knopf. Diese Haft würde doch etwas länger werden als gedacht. Karl fühlt sich von der Anstalt im Stich gelassen. Karl fühlt Ohnmacht.
(Alexander Krützfeldt) https://www.thewild.de und https://krautreporter.de/15423-alexander-krutzfeldt
Heribert Prantl Kommentar: Die Debatten über den Strafvollzug sind verstummt Zitate Die Debatte über den Strafvollzug ist leider zerstückelt und damit minimalisiert, sie findet und fand zwar noch in den einzelnen Ländern statt, aber sie findet nicht mehr zusammen. Die Föderalismusreform hat damit etwas Schlimmes angerichtet: Sie hat die Wissenschaft vom Strafvollzug marginalisiert - und sie hat die gesellschaftliche Debatte über den Strafvollzug gekillt. Der Titel einer Schrift über den Strafvollzug und seine Probleme aus dem Jahr 2005 heißt, nach dem Motto von Bert Brecht aus der Dreigroschenoper: "Die im Dunkeln sieht man nicht". Man sieht sie heute noch weniger als damals.
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geschrieben von K13online-Redaktion am 16.08.2017 |
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